Nachdem das Billing des Malmö Melodic bekannt gegeben wurde, war klar, dass auch die AOR Bible unbedingt vertreten sein muss. Auch wenn man vielleicht vergeblich nach den ganz großen Namen sucht, so war das Billing in der Breite unglaublich stark aufgestellt mit einer Menge Bands, welche man selten live zu Gesicht bekommt. Zusammen mit meiner Frau (Anita) machten wir uns auf den Weg nach Südschweden und luden unterwegs noch Chris „The Lonesome Wolf“ Reh (Melodicrock Palace) und unsere Redaktionsperle Ulle auf.
Kurioserweise geht das 3-tägige Festival von Samstag bis Montag (!) und bereits am Freitagabend wurden die Hotelgäste im „The Mill“ (das Stammhotel der Bands und Festivalbesucher) mit einem Akustik-Gig von Hank Erix (HOUSTON) und Eric Modin (WILDNESS, HOUSTON) auf Betriebstemperatur gebracht. Neben HOUSTON-Standards wie ‚1.000 Songs‘ oder ‚Runaway‘ wurden auch Coverversionen u.a. von DANGER DANGER und SURVIVOR in den mit ca. 200 Leuten ziemlich vollen Frühstücksraum gefeuert – die Fans dankten es mit lautstarkem Beifall, weil der HOUSTON-Frontmann die Songs wirklich exzellent gesungen hat.
Außerdem wurde der Auftritt genutzt, um bereits bestehende Kontakte aufzufrischen oder neue zu knüpfen. Es ist ja so, dass die Melodic Rock-Fans in Europa mittlerweile eine kleine (oder große) Familie sind und man sich einfach wohl fühlt, wenn man neben den Bandauftritten mit Gleichgesinnten feiern, fachsimpeln oder auch den ein- oder anderen Jacky-Cola zwitschern kann. (Rainer)
Tag 1 – Samstag, 27.07.2024
ALICATE hatten die eigentlich immer undankbare Aufgabe, die Premiere des Malmö Melodic-Festivals zu eröffnen. So undankbar war diese Aufgabe jedoch nicht, denn die bereits zahlreich anwesenden Fans waren heiß darauf, dass es endlich losgeht, und es lag eine greifbare Spannung in der Luft. ALICATE lieferten ihnen mit dem temporeichen Opener `Are You Ready´ vom neuen Album Heaven Tonight eine amtliche Vollbedienung, die die hohe Erwartungshaltung vorzüglich erfüllte und viel aufgestaute Energie entlud. Mit der von ihnen gewohnten und sehr schmackhaften Mischung aus knackigem AOR und melodischem Hardrock haben die Veranstalter definitiv eine gute Wahl getroffen. Insbesondere Sänger und Gitarrist Jonas Erixon leistete seine Doppelrolle mit Bravour, und der spürbare Enthusiasmus der Band sorgte für ordentlich Dampf und einen saftigen Push ihres Publikums, dass die gelungene Mischung aus dem Fundus ihrer bisherigen Alben mit viel Begeisterung honorierte. Ein toller Festivalauftakt! (Ulle)
NUBIAN ROSE sind auf ihren letzten Alben deutlich progressiver geworden, weshalb ich sehr gespannt war, ob diese Kurskorrektur auch live funktioniert. Auch der frühe Zeitpunkt ihres Gigs am Nachmittag ist nicht unbedingt ideal für den ethnisch-mystischen Touch, den sich die Band zu eigen gemacht hat und den Frontlady Sofia Lilja mit ihrem tollen Facepainting und grazilen Bewegungen perfekt unterstrich. Ich hatte später noch die Gelegenheit für ein kurzes Gespräch mit ihr, in dem sie mir erzählt hat, dass sie und ihre Bandmates ähnlich gespannt waren, wie insbesondere die neuen Songs vom Publikum aufgenommen werden.
Ich persönlich honoriere es, wenn eine Band ein Alleinstellungsmerkmal innehat und sich in Sachen Sound und Bühnenpräsenz deutlich abhebt. Und die enorme Stimmgewalt von Sofia trug ihr Übriges dazu bei, um auch das Publikum nach anfänglicher Zurückhaltung zu erobern. Ein wenig Grund zum Meckern-auf-hohem-Niveau war allenfalls der Gitarrensound von Gitarrist Christer Akerlund, der seine Klampfe fast permanent mit Flanger- oder Phaser-Effekten versehen hatte, was für meinen Geschmack des Guten etwas zu viel war. Unterm Strich konnten aber auch NUBIAN ROSE ein Erfolgserlebnis für sich verbuchen. Da ich mir nun erst einmal eine Abkühlung in Form schwedischen Gerstensafts gegönnt habe, übergebe ich an meinen Buddy und geschätzten AOR Bible-Vorgesetzten: Herr Zelder, übernehmen Sie! (Ulle)
Nach dem für mich eher durchwachsenen Auftritt von NUBIAN ROSE ging es mit GRAND weiter. Es ist kein Geheimnis, dass die beiden GRAND-Alben bei mir einen extrem hohen Stellenwert haben. Ich finde zum einen das Songwriting grandios und ich war sehr gespannt (und auch etwas besorgt), ob Sänger Mattias Olofsson die sehr hohen Vocals auch live beherrscht – zumal die Band jetzt auch keine langjährige Liveerfahrung aufweisen kann. Meine Befürchtung stellte sich jedoch als grundlos heraus, denn GRAND schafften es mit ihrem Auftritt das Festival auf ein neues Level zu hieven. Mit spielerischer Leichtigkeit wurden die Songs vom Debüt und dem Nachfolger Second To None in einer Qualität dargeboten, dass einem (zumindest mir) manchmal der Mund meilenweit offen stand.
Insgeheim hätte ich mir sogar gehofft, dass der Frontmann ab- und an mal einen Ton versemmelt, damit der Auftritt nicht ganz so perfekt ist – diesen „Gefallen“ hat uns Mattias Olofsson aber nicht getan. Zusätzlich ist der zierliche Sänger ein erstklassiger und sympathischer Frontmann, der ständig in Bewegung ist und den Gegenpol zur eher statischen Performance des Gitarristen Jakob Svensson bildet. Ein rumgehopse und -gepose würde aber auch nicht zu den feinen Gitarrenmelodien und Soli passen. Mit ‚Caroline‘ vom Debütalbum und den beiden Krachern ‚Kryptonite‘ und ‚Leave No Scar‘ vom aktuellen Second To None verabschiedeten sich die Schweden von einem (positiv) tobenden Publikum, welches diesen Auftritt noch lange im Gedächtnis haben wird. Für mich sind GRAND einer der ganz großen Gewinner des Wochenendes.
Aufgrund dieser Machtdemonstration musste man beinahe Mitleid mit HOUSTON haben, direkt danach auf die Bühne zu müssen. Andererseits haben die Stockholmer kürzlich als Support von WINGER in Madrid bewiesen, dass sie auch den wiedererstarkten US-Amerikanern das Wasser reichen konnten. Und genau so selbstbewusst starten HOUSTON in ihren einstündigen Gig, welcher einen Mix aller Schaffensphasen der Schweden enthält. Und sie schaffen es tatsächlich noch einen drauf zu setzen.
Frontmann Hank Erix hat von Anfang an das Publikum im Griff und dieses dankt es mit euphorischen Reaktionen nach jedem Song. Auch das Stageacting weiß zu überzeugen. Hank sucht immer wieder den Blickkontakt zu den Fans in den ersten Reihen, wobei meine Augen immer wieder auf Gitarrist Calle Hammar fallen. Sein Gitarrenspiel und auch seine Art sich zu bewegen, erinnert immer wieder an Frankie Sullivan (SURVIVOR) und damit hat er natürlich bei den Zuschauern einen Stein im Brett. Auch das Zusammenspiel von Erik Modin am Schlagzeug und Niels Walter am Bass funktioniert perfekt – letzterer ist auch ständig damit beschäftigt, das Publikum auf Trab zu halten. Keyboarder Richard Hamilton ist nicht nur das stimmliche Rückgrat bei den Backgroundgesängen, er setzt zusätzlich die keyboardorientierten Songs genau so um, wie man es von den Alben der Band kennt.
Nach ‚1.000 Songs‘ vom Debüt verabschiedet sich die Band unter tosendem Applaus vom Publikum. Ein nahezu perfekter Auftritt, der nur dadurch etwas getrübt wurde, dass ausgerechnet der Jahrhundert-Song ‚Truth Slips‘ im Duett mit NUBIAN ROSE-Frontfrau Sofia Lilja nicht funktionierte. Das lag aber nicht an der Band, sondern an der Tatsache, dass das Schrille Organ der Sängerin so gar nicht zum Song und zum warmen Timbre eines Hank Erix passte. In der Rolle hätte man sich eher Leigh Matty von ROMEO’S DAUGHTER gewünscht, aber ich will gar nicht zu viel verraten, weil das Ulle’s Part wird. Mit ‚1.000 Songs‘ vom überragenden Debütalbum verabschiedete man sich von Malmö. In dieser Form müssen HOUSTON im ganzen Melodic Rock-Universum keine Konkurrenz fürchten. Beide Daumen nach oben. (Rainer)
Bühne frei für Mutti – diese für ROMEO´S DAUGHTER´s Frontlady Leigh Matty beim Malmö Melodic vielfach zu hörende Bezeichnung war Ausdruck voller Ehrfurcht und Respekt seitens der Fans. Schließlich gehörte ihre Band neben Dare und Ronnie Atkins zu den wenigen Interpreten des Festivals, die ihre langen Karrieren noch in den von den meisten Fans so innig geliebten Mittachtzigern begonnen hatten. Ich durfte mir ihr neues Album Slipstream bereits für ein Review vornehmen und war von der Mischung aus kernigen Rocksongs, berührenden Balladen und der wirklich grandiosen Gitarre von Craig Joiner begeistert. Und genau diese Mischung bot die Band auch auf der Bühne, wobei der Balladenanteil festivalgerecht zu Gunsten einiger Kracher aus der frühen Bandgeschichte und AOR-Blütezeit reduziert wurde.
So begannen ROMEO´S DAUGHTER gleich einmal mit ihrer vielleicht bekanntesten Nummer `Heaven In The Backseat´ von ihrem Debut, das auch für den Soundtrack zu „Nightmare On Elmstreet 5“ berücksichtigt wurde. Während es damals noch sehr nach DEF LEPPARD zu Hysteria-Zeiten klang, ist die Band heutzutage deutlich erdiger unterwegs, was ihnen meiner Meinung hach hervorragend steht. Vom neuen Album kamen zu meiner Freude ausgerechnet das fett groovende `Over You´ und mein Albumliebling `Fake´ zum Zuge. Ich habe mich wie viele andere auch sehr gefreut, dass ich die Briten doch noch mal live erleben konnte – und sie dankten es mit einem tollen und im besten Sinne routiniertem Auftritt, der vom Publikum mit verdienter Begeisterung aufgenommen wurde.
Am nächsten Morgen hatte ich noch die Gelegenheit für ein kurzes Gespräch mit der überaus sympathischen Leigh Matty nach dem Frühstück, wo wir ein Interview vereinbarten, das Ihr hier in den kommenden Tagen nachlesen könnt.
PERFECT PLAN, die Mannen um den sympathischen Frontmann Kent Hilli, hatten mit ihren drei Alben und dem irgendwo zwischen den SURVIVOR und WHITESNAKE der Mittachtziger liegendem Sound gehörig Staub aufgewirbelt und waren folgerichtig Headliner des ersten Tages beim Malmö Melodic. Folgerichtig war das Publikum bemerkenswert textsicher und sang Hits wie `In And Out Of Love´ begeistert mit. Auch Balladen wie `Fighting To Win´ oder `Emelie´ sorgten keinesfalls für einen Stimmungsabfall, denn der Sound war sehr ausgewogen und fett, und Kent Hilli war bemerkenswert gut bei Stimme.
Offensichtlich hat ihm die Wärme in der Halle zu schaffen gemacht, denn er ging häufig gemächlich zum Drum-Podest, um sich mittels des dort platzierten Handtuches das Gesicht zu trocknen. Als Brillenträger durchaus verständlich, allerdings hätte vielleicht auch das Entledigen seines Sakkos und Halstuches eine antitranspirierende Wirkung gezeigt. So drehte er dem Publikum häufig den Rücken zu, weshalb ihm der permanent selig grinsende und sichtlich Spaß habende Gitarrenknubbel Rolf Nordström in Sachen Bühnenpräsenz ein gutes Stück voraus war. Das war aber nur eine kleine Randerscheinung, denn PERFECT PLAN lieferten eine rundherum tolle Show und waren ein würdiger Headliner des ersten Tages.
Tag 2 – Sonntag, 28.07.2024
Ich muss zugeben, dass mir die BOYS FROM HEAVEN völlig unbekannt waren und ich angesichts des cheesigen Bandnamens eher auf einen Sleaze-Eintopf mit entsprechend alberner Attitüde gefasst war. Stattdessen betraten sechs Normalos die Bühne und boten dezent proggigen Rock in TOTO und WORK OF ART-Manier. Die zweite Überraschung folgte auf dem Fuß, denn was die himmlischen Jungs trotz ihrer nicht einfachen Rolle als Opener des zweiten Festivaltages an unbekümmerten Enthusiasmus und glaubhafter, niemals aufgesetzt wirkender Spielfreude auf die Bühne brachten, war nicht von dieser Welt.
Ich habe viele Gespräche während des Festivals geführt, und wirklich JEDER war völlig hin- und mitgerissen von dieser jungen Band. Die ungewöhnlichen Songstrukturen verlangen sicher einiges an Konzentration, aber trotz aller auch instrumentalen Finesse wirkte alles easy und locker aus der Hüfte geschossen. Die Auflistung einzelner Songs kann ich mir getrost ersparen, denn diese Band ist ein Gesamtkunstwerk, das man unbedingt einmal live erleben sollte. Ich glaube, dass wirklich niemand einen solchen kompletten Abriss erwartet hatte und dementsprechend können sich BOYS FROM HEAVEN den völlig verdienten Titel als größte Festivalüberraschung an ihre Fahnen heften. Grandios! (Ulle)
Bei der Bekanntmachung, dass JD MILLER beim Malmö Melodic spielen, zuckte ich erstmal mit den Achseln, weil mir die Band gänzlich unbekannt war. Nach einigen Testlauschungen wuchs meine Begeisterung jetzt auch nicht ins Unermessliche, aber ein paar gute Songs haben die Schweden durchaus in ihrem Repertoire. Live war der Auftritt der Schweden aber ziemlich überflüssig. Das lag hauptsächlich an den Songs mit deutlicher Metal-Schlagseite, welche so gar nicht zur melodischen Ausrichtung des Festivals passen wollten. Aber auch Sänger Peter Halldén machte es sich mit seinem offensichtlich arrogantem Auftreten nicht leicht – zusätzlich kamen sämtliche Ansagen ausschließlich in schwedischer Landessprache, obwohl Fans aus 22 Ländern nach Malmö gepilgert sind. (Rainer)
Die Vorzeichen von TRANSATLANTIC RADIO standen denkbar schlecht, denn die Amerikaner hatten sich laut eigener Aussage erst kurz vor dem Festival zum ersten Mal für ein paar Proben mit ihrem schwedischen Sänger treffen können und mussten zudem auch noch ihren Gitarristen RJ Ronquillo ersetzen. In dieser Zusammensetzung hat die Band somit noch nie live gespielt, was auch für so erfahrene Musiker, die meiner Recherche nach teilweise bereits mit absoluten Weltstars zusammengearbeitet haben, eine enorme Herausforderung ist. Dementsprechend musste häufig der Blickkontakt untereinander gesucht werden, um keinen Einsatz zu verpassen, worunter die Bühnenpräsenz ein wenig gelitten hat.
An diesen Umständen gemessen gebührt der Band aber Respekt, denn den Mut und die Risikobereitschaft, die Feuertaufe dieser Besetzung unter solchen Bedingungen bei einem internationalen Festival zu bestreiten, muss man erst einmal aufbringen. Dementsprechend ernteten TRANSATLANTIC RADIO für ihren gefälligen Melodic Rock, der mich durch die tolle Stimme von Mattias Osbäck gelegentlich an die AOR-Ausflüge von SLADE erinnert hat, etwas zaghafteren, aber respektvollen Applaus des äußerst fairen Malmöer Publikums. (Ulle)
Auf WILDNESS hatte ich mich ganz besonders gefreut. Erstens sind die Live-Aktivitäten der jungen Männer etwas spärlich und zweitens finde ich ausnahmslos alle 3 Alben der Schweden extrem stark. Ich hatte die Band seinerzeit auf dem letzten Rockingham-Festival noch mit Ursänger Gabriel Lindmark gesehen und WILDNESS hatten – bis eben auf den Sänger – einen fantastischen Gig hingelegt.
Der Bereich vor der Bühne ist an diesem Tag zum ersten Mal richtig voll – anscheinend bin ich nicht der Einzige, der heiß auf WILDNESS ist. Das, was die Band technisch auf die Bühne zaubert, ist schon allererste Sahne. Schlagzeuger und Bandgründer Erik Modin ist eh ein Meister seines Faches und behandelt die Felle ja auch noch bei HOUSTON und aushilfsweise bei H.E.A.T. und ist somit wohl momentan einer der angesagtesten Hardrock-Drummer in Schweden überhaupt. Unglaublich tight und ohne Schnörkel werden Songs aller Alben eingespielt und alle anderen Bandmitglieder ziehen hier locker mit.
Auch Erik Forsberg am Mikro erledigt seinen Job makellos und singt wie ein junger Gott. Das Einzige, was man ihm ankreiden kann, ist seine fehlende Frontmann-Ausstrahlung. Er wirkt auf der Bühne fast etwas schüchtern und hat den Eindruck, dass er froh ist, wenn die anderen Bandmitglieder (z.B. bei den Gitarrensoli) ins Rampenlicht rücken. Daran sollte Erik unbedingt noch etwas feilen, dann nämlich können WILDNESS zu den ganz Großen des Hardrocks aufsteigen.
ROULETTE sind ein Phänomen. Gegründet 1985, brachte es die Band trotz großer Fanbase nur auf 3 Singles zwischen 1986 und 1989. Nach der Umbennung 1990 zu CHERRY RED (auch lediglich eine Single) und einer Best-Of-Compilation 2008 wurde das erste richtige Album 2018 veröffentlicht – über schlappe 30 Jahre nach dem ersten Lebenszeichen. Umso gespannter musste man sein, ob die Band das Feuer der Anfangstage in Malmö auf die Bühne bringen kann. Und ja, sie konnten. Es mag technisch bessere Musiker geben und auch Sänger Thomas Lundgren traf nich jeden Ton perfekt, aber hier waren absolute Vollblut-Musiker am Start, die richtig Lust hatten, das Plan B in Schutt und Asche zu legen.
Hinsichtlich des Songmaterials konzentrierte man sich hauptsächlich auf den aktuellen Longplayer Now! Und die Stimmung im Publikum kannte kein Halten mehr. Besonders Thomas Lundgren hatte die Zuschauer so dermaßen im Griff, dass man sich wirklich fragen musste, warum man von ROULETTE nicht schon viel früher mehr gehört hat. Zum Abschluss gab es dann noch den ganz großen Ohrwurm ‚Right By Your Side‘, welcher bei vielen Fans bis zum Ende des Festivals im Ohr kleben blieb. Meiner Meinung nach die ganz große Sensation des Festivals. (Rainer)
DARE kennt man in der Szene natürlich, und ihre ersten Alben tauchen immer wieder in allen möglichen Bestenlisten auf, weshalb sie zurecht als Headliner des zweiten Tages ausgewählt wurden. Zu ihrem jüngeren Alben habe ich vorab einige kritische Stimmen vernommen, die vor allem die fehlende Härte und den steigenden Folk-Anteil bemängelten. Da ich DARE schon seit längerem aus den Ohren verloren hatte, stand ich folglich mit gedämpften Erwartungen vor der Bühne – und wurde nur kurze Zeit später völlig von meinen eigenen Gefühlen überrollt. Vielleicht war es die samtweiche und warme Stimmfarbe von Darren Wharton oder die angesprochenen keltischen Elemente, die z.B. auch GARY MOORE oder MAGNUM immer mal wieder eingebaut haben, die aber besonders bei DARE viel positive Melancholie und Sehnsucht zum Ausdruck bringen.
Spätestens beim Song `Road To Eden´, welcher von der Band dem Heimatland des Festivals entsprechend als `Road To Sweden´ angekündigt wurde und der somit als perfekter Soundtrack zu der ebenso langen wie spaßigen Anreise per PKW mit meinen Freunden (ladies first) Anita, Rainer und Chris passt, war es mit meiner Contenance vorbei. Musik macht eben glücklich, wenn sie perfekt zur Stimmung passt, und das musikalisch erzeugte Bewusstsein, zur richtigen Zeit beim richtigen Event mit den richtigen Menschen zu sein, kann selbst bei einem ergrauten Endfünfziger zu seligen wie salzhaltigen Sturzbächen aus der Schädelmitte führen. Bei so viel von der eigenen Kette gelassener Emotion kann ich gar nicht anders als DARE völlig unobjektiv zu meinem persönlichen Festivalhighlight zu küren. Das Leben ist schön und alles wird gut!
Tag 3 – Montag, 29.07.2024
CARE OF NIGHT können ja nichts dafür, dass ihre Show nur für Ticketinhaber, die sich den ordentlichen Aufschlag für den VIP-Status geleistet haben, zugänglich war. Ich persönlich sehe diese Gepflogenheiten der Veranstalter durchaus kritisch, denn dies hat für mich immer den mir unangenehmen Anstrich einer Zweiklassengesellschaft, was nicht gut zu dem Gemeinschaftsgefühl passt, das eigentlich immer vorherrscht und das auch in Malmö so gutgetan hat. Es mag wirtschaftliche Gründe haben, und wenn es dazu beträgt, dass ein Festival Zahlen in Form einer schwarzen Null schreibt und wiederholt werden kann, soll’s auch mir recht sein.
CARE OF NIGHT jedenfalls ließen sich überhaupt nicht beirren und legten zum Tagesauftakt einen Gig hin, der sich gewaschen hat. Die hatten richtig Bock, und das war von der ersten Sekunde an zu spüren. Mit Hits wie `Cassandra´ im Gepäck kann man aber auch nichts falsch machen. Ich persönlich mag die Band, die auf ihren Alben stets hochwertige Qualität abgeliefert hat, allerdings unter den vielen gleichwertigen Schweden-Acts auch nicht herausgeragt hat. Live jedoch haben sie mich wirklich restlos überzeugt, weshalb nicht nur ich für ihren Gig anerkennend beide Daumen nach oben richte – Klasse!
Zu GAELERI musste ich erst einmal recherchieren und dabei überrascht feststellen, dass diese im schwedischen Helsingborg beheimatete Band bereits seit 1992 existiert und beim Malmö Melodic in der Urbesetzung auftrat. Ich ziehe mein Käppi vor so viel Durchhaltevermögen, denn ein größerer Bekanntheitsgrad war ihnen bisher noch nicht vergönnt. Die Band lieferte durchaus gekonnt dargebotenen Heavy Rock, der meistens jedoch etwas schwermütig anmutete und der es zwischen all den deutlich leichter verdauliche Kost bietenden Bands schwer hatte. GAELERI hatten hier einfach nicht ihr Publikum, gaben aber trotzdem alles, um doch noch die ein oder andere Eroberung zu machen. Ehrlicherweise ist es ihnen bei mir nicht gelungen, aber dem bewiesenen Kampfgeist und dem spielerischen Können zolle ich meinen Respekt und wünsche der Band von Herzen, dass sie eine Chance auf Events mit etwas härterer Ausrichtung bekommen, denn dort dürften sie eher zünden als bei einem AOR- und Melodic Rock-Festival. Das Zeug dazu haben sie definitiv!
Was machen fünf als Mathematikstudenten verkleidete Schwedenbubies, die recht passabel Musikinstrumente bedienen können? Ganz einfach: sie formen eine Band, nennen sie STREETLIGHT und bringen mit Ignition mal eben ein Debutalbum heraus, das für viele Genrekenner und auch für mich nicht weniger als DAS Highlight der letzten Jahre ist. Dabei orientieren auch sie sich an den üblichen Verdächtigen der 80er und sind somit alles andere als Revoluzzer des AOR, komponieren allerdings mit einer raffinierten Finesse, die der gesamten, sich doch häufig wiederholenden Szene frisches, neues Leben eingehaucht hat.
Somit gehörten STREETLIGHT nicht nur bei mir zu der Band, die mit der größten Spannung erwartet wurde. Wildes Stageacting und sonstige Anflüge von aufgesetzter Coolness und Rockstargebärden würden null zu ihnen passen, und folgerichtig blieben sich die Mannen um Mainman Johannes Höger treu, spielten zumeist im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Stand und ließen allein ihre grandiosen Songs sprechen. Und die entfachten auf der Bühne nochmal eine größere Wirkung, weil neben den Songs eben noch das Liveerlebnis zur Besonderheit dieses Erlebnisses beitrug. Nicht wenige Taschentücher wurden während `Closer´ gezückt, während ich bei `Chutes And Ladders´ und Johannes kurzer Erläuterung der Entstehungsgeschichte dieses Songs gemerkt habe, dass DARE doch noch etwas Augensaft bei mir übriggelassen haben.
Mit etwas mehr Glück, Promotion und Airplay hätte allein dieser Song eigentlich weltweit die Charts erobern müssen. Die fünf Schweden standen angesichts der euphorischen Reaktionen staunend auf der Bühne und wirkten, als ob ihnen gar nicht bewusst ist, was für Monstersongs sie da eigentlich geschaffen haben. Viele auch der in Malmö anwesenden Bands zehren von ihren Erfolgen aus der Vergangenheit, aber STREETLIGHT gehört definitiv die Zukunft. (Ulle)
Unglücklicherweise können die Damen von EMOTIONAL FIRE aufgrund einer Erkrankung beim Malmö Melodic nicht auftreten, was ich persönlich sehr schade finde, weil das Material der Schwedinnen stark unterschätzt ist und außerdem hat man – Überraschung – mit eben ‚Emotional Fire‘ den meiner Meinung nach besten je von einer Frau gesungenen Melodic-Rock Song im Programm – auch wenn es natürlich „nur“ eine Coverversion von CHER’s Überhit aus dem Jahre 1989 ist. Schade drum und nun müssen wir uns ausgerechnet wieder mit JD Milller abmühen, deren Auftritt tatsächlich um Nuancen besser ist als Tags zuvor (Frontmann Halldén kommt auch etwas sympathischer rüber). Nichtdestotrotz nutze ich die Zeit anderweitig.
Bei REMEDY handelt es sich um die heimlichen Senkrechtstarter der AOR-Szene. Wobei so richtig klassischer AOR ist das nicht, was uns REMEDY auf Ihrem kürzlich erschienenen Zweitling Pleasure Beats The Pain servieren. Da sind schon allerhand moderne Einflüsse verbaut und man hört z.B. auch immer wieder GHOST heraus, was unter anderem der stimmlichen Nähe Robert van der Zwans zu Tobias Forge geschuldet ist. Ähnlich viele Fans wie bei STREETLIGHT wollen sich den Auftritt der Stockholmer nicht entgehen lassen. Auch wenn einige AOR-Anhänger – auch in unserer Redaktion – von der Entwicklung der Band nicht 100% begeistert sind (das Debüt war noch ziemlich klassischer AOR-Stoff), so muss man neidlos anerkennen, dass REMEDY eine sehr sehr gute Liveband sind und der Start mit ‚Living On The Edge‘ brachte das Publikum sofort in Halb Acht-Stellung: Äußerst dynamisch und impulsiv waren sie so etwas wie der unruhige Gegenpol zu STREETLIGHT und ganz ehrlich: die neuen Songs wie ‚Poison‘ oder ‚Moon Has The Night‘ stellen sich on Stage zudem als ziemliche Kracher heraus.
Als Frontmann meistert van der Zwans die Doppelbelastung (Vocals, Gitarre) hervorragend, läßt aber immer Platz für den äußerst agilen Gitarristen Roland Forsman. Den Abschluss bildet letztendlich ‚My Devil Within‘ und läßt Malmö mit zufriedenen Gesichtern zurück. Obgleich REMEDY das Publikum und mich vollkommen überzeugen konnten, so war der Auftritt von STREETLIGHT kurz davor musikalisch etwas unterhaltsamer. (Rainer)
CHEZ KANE polarisiert, was weniger musikalische Gründe hat, sondern vielmehr an ihrer reichlich freizügigen Bekleidung liegt, die sie stets für ihre Videos wie auch für ihre Gigs auswählt und dadurch sicherlich auch niedere Instinkte hormoneller Art bedient. Immerhin dürfte sie sich dadurch ein gutes Stück mehr ins Gespräch gebracht haben als allein durch die von CRAZY LIXX – Shouter Danny Rexon umfänglich betreuten und gelungenen Alben. Mir persönlich ist die Optik völlig wurscht, denn die Welt ist nun mal erfreulich bunt, und wir leben zum Glück in einem freien Teil der Welt, in dem jeder tun und lassen kann, was er möchte, solange er seinen Mitmenschen nicht schadet. Es wurde jedenfalls richtig voll vor der Bühne, bevor die junge Britin und ihre Mannen mit ihrem AOR der verschärften Gangart loslegten.
Die Stimmgewalt von CHEZ KANE ist schon beeindruckend, für mich persönlich auf Dauer jedoch auch etwas ermüdend. Somit habe ich mich im letzten Drittel ihres Gigs meinen niederen Instinkten der kulinarischen Art gewidmet und das entsprechende Angebot vor der Halle getestet, denn wenn es vor der Bühne voll ist, sind die Schlangen beim Imbiss eben entsprechend kurz. Den begeisterten Lauten nach, die aus der Halle schallten, scheint es jedenfalls bestens gelaufen zu sein, und das freut mich aufrichtig für diese junge Truppe. (Ulle)
Den Schlussakkord dieses – in allen Belangen – gelungenen Festivals setzt dann verdienterweise RONNIE ATKINS. Natürlich muss man dem Dänen allen Respekt zollen, dass er trotz seiner Krankheit immer noch regelmäßig Livekonzerte bestreitet, aber auch losgelöst von diesem Umstand liefert RONNIE ATKINS immer noch eine beeindruckende Leistung auf der Bühne. Und dann ist es auch egal, ob PRETTY MAIDS-Knaller wie das unwiderstehliche ‚We Came To Rock‘ oder ‚Little Drops Of Heaven‘ oder Songs der drei Solo-Scheiben in die Menge geschleudert werden. Jede Nummer wird dankbar von den Fans aufgesogen, auch wenn der Frontmann mit dem Sound – der übrigens bei allen anderen Acts astrein war – überhaupt nicht zufrieden ist. Das macht er wiederholt und lautstark nicht nur einmal deutlich.
Den Fans des Dänen ist das aber augen- (und ohren-) scheinlich egal, weil die Stimmung einfach nur grandios ist. Stimmlich kann der Frontmann von PRETTY MAIDS natürlich nicht mehr ganz das schwindelerregende Niveau der Glanzzeit seiner Stammband erreichen, wobei ich persönlich finde, dass der Gesang wieder druckvoller war, wie bei seinen letzten Auftritten. Alle Dämme brechen dann bei den Zugaben ‚Future World‘ und ‚Rodeo‘, wo die immer noch zahlreich verbliebenen Fans das (nicht mehr ganz so zahlreich vorhandene) Haupthaar schütteln bis RONNIE ATKINS die Zuschauer erlöst – und jetzt kann der Däne auch grinsen und hat mit Sicherheit die Soundprobleme (zumindest kurzzeitig) vergessen. Was für ein überragender Auftritt einer Legende, den man unbedingt miterlebt haben muss. (Rainer)
Fazit:
So anstrengend die Anreise mit dem Auto nach Malmö auch war – das Festival hat alle Erwartungen übertroffen. Hier passte wirklich alles zusammen: die Bands, die Organisation, das Hotel…man hat sich einfach rundum wohl gefühlt und man kann den Veranstaltern eigentlich keinen Ratschlag geben, was sie besser hätten machen können. Bedanken möchten wir uns ganz besonders bei allen Freunden aus Schweden, Deutschland, der Schweiz, UK und Griechenland, welche aus dem Festival was ganz besonderes gemacht haben. Es wurde auch bereits ein Malmö Melodic für 2025 angekündigt, was die Vermutung naheliegt, dass man sich langfristig hinter dem Indoor Summer Festival als feste Größe etablieren will.