Vortag – Donnerstag, 24.07.2025
OPENING (Ulle)
Moin, leeve Lü – der Rainer aus Bayern und der sich hier zu Wort meldende Ulle aus Ostfriesland sind wieder in Schweden am Start, um euch Eindrücke von der zweiten Ausgabe des Malmö Melodic-Festivals zu schildern. Die erste Reise-Etappe legte ich per Bahn zurück und wurde in Hamburg von Freund und Melodic Rock Palace-Ikone Christian aufgelesen und am Tag darauf im amtlichen Mini-Cabrio nebst gewohnt fachkundig kredenzter Songauswahl durch Schleswig-Holstein und Dänemark sowie über einige herrliche Brücken auf´s ebenso überraschend, wie angenehm warme schwedische Festland transportiert. Im Hotel trafen wir auch gleich auf den diesmal per Bahn angereisten AOR Bible-Pabst Rainer nebst Gattin Anita. Bei einem zweiten Besuch ist der Reiz einer neuen Umgebung zwar weg, dafür aber einer angenehmen Vertrautheit gewichen, die ich genauso zu schätzen weiß, wie das Wiedersehen mit zahlreichen weiteren Freunden aus dem letzten Jahr – was ebenso viel Spaß verspricht wie das erneut sehr amtliche Festival-Billing. Wenn ein paar Hundert Leute mit der gleichen freudigen Erwartung und der gleichen Leidenschaft für Musik aufeinandertreffen, ist es selbst für Smalltalk-Nieten wie mich sehr leicht, auch mit fremden Menschen ein Gespräch zu beginnen. Ein kurzes „hey, man/lady, nice shirt“, und schon unterhält man sich mit Gleichgesinnten aus aller Herren Länder – I love it!
Neu war dieses Jahr, dass die Opening-Party nicht im Hotel, sondern in einer auswärtigen Location stattfand, wo keine geringeren als GAELERI für die musikalische Unterhaltung sorgten, die im Vorjahr noch im Rahmen des eigentlichen Festivals aufgetreten sind. Dem Anlass entsprechend bot die sympathische Band zunächst ein paar eigene Nummern, anschließend jedoch überwiegend Coversongs aus dem breiten Fundus des Melodic Rocks, die allesamt unplugged zum Besten gegeben wurden. Ein schöner Einstieg für die Festival-Besucher mit VIP-Ticket und für mich, der mangels eines solchen vom Rainer als „my writer“ ausgegeben wurde, was von den Herren der Ticketkontrolle zu meiner Erleichterung auch akzeptiert wurde. Dafür schreibe ich auch gerne ein paar Zeilen zu dieser Party, denn selbstverständlich hält sich so ein Bible-Pabst an die zehn Gebote und bleibt stets bei der Wahrheit 😉 Dass sich die Halle nach dem finalen Song recht schnell leerte, mag den Strapazen der langen Anreise geschuldet sein, die den meisten Besuchern in den Knochen gesteckt haben dürfte. Vielleicht lag es auch an dem ein oder anderen Kaltgetränk – oder an einer Kombination aus beiden. Who knows, who cares?
Tag 1 – Freitag, 25.07.2025
STATE OF SALAZAR (Rainer)
STATE OF SALAZAR hatten die Aufgabe am Freitag das Festival zu eröffnen. Normalerweise ist der Eröffnungsslot eines Festivals ja eher eine undankbare Angelegenheit – besonders wenn die Band bereits um 13:00 Uhr auf die Bühne muss. Hier war das aber anders, da das Publikum extrem hungrig auf den Start des diesjährigen Malmö Melodic war. Und bereits bei der ersten Band war das Plan B gut gefüllt und als der Vorhang nach den ersten Takten zu ‚Eat Your Heart Out‘ fiel, bekam die Band bereits tosenden Applaus. Jetzt ist es nicht so, dass STATE OF SALAZAR mit ihrem an TOTO erinnernden Stil Malmö in Schutt und Asche legte, dafür ist das Material der Schweden einfach zu relaxt.
Man fühlte sich hier manchmal an den überragenden Auftritt der BOYS FROM HEAVEN aus dem letzten Jahr erinnert, die sich ja einem ganz ähnlichen Sound verschrieben haben. Das Set bestand in etwa zu gleichen Teilen aus den Highlights der beiden Alben All The Way (2014) und Superhero (2018) und was hatte die Band für einen Spaß auf der Bühne! Und das hat sich 1:1 auf die Fans der Band übertragen, bzw. wurden auch die AOR-Fans angesteckt, die mit dem Material von STATE OF SALAZAR noch nicht so vertraut waren. Nach dem Titelsong des Debüts war dann leider schon Schluss – viele hätten die Band nach diesem bärenstarken Gig noch gerne länger auf der Bühne gesehen.
ARCTIC RAIN (Ulle)
Meine erste Aufgabe am ersten Festivaltag wartete beim Gig der einheimischen Band ARCTIC RAIN, deren beide Alben ich außerordentlich schätze. Und genau das, was diese beiden Alben versprachen, lieferte die Band auch: eine aus reinem AOR (vom ersten Album) und leicht proggigen und etwas härteren Elementen (vom zweiten) bestehende Vollbedienung, die nahezu perfekt gelang und trotz der noch frühen Stunde mit lautstarker Zustimmung vom Publikum honoriert wurde. Lediglich auf das in der Mitte ihres Sets platzierte Cover von JOURNEY´s `Separate Ways´ hätte ich durchaus verzichten können.
Grundsätzlich mag ich es ja, wenn gecoverte Songs umarrangiert und im neuen Gewand präsentiert werden, und der Beginn als Ballade hat auch noch prima funktioniert, aber durch das Fehlen der prägnanten Keyboardparts des Originals wurde der allseits bekannte Song doch ein wenig seiner Seele beraubt. Stattdessen hätte ich gerne einen Song vom neuen Album gehört, das von der Band im Vorfeld bereits angekündigt wurde. Na ja: es wird seine Gründe haben, warum ARCTIC RAIN zur Promotion auf einen Appetizer verzichtet haben. Trotzdem ein toller Gig, und mit Songperlen wie dem kurz zuvor leider verstorbenen Ozzy Osbourne gewidmeten `Kings Of The Radio´ oder `Unity´ kann man auch rein gar nichts falsch machen. Thumbs up!
CRUZH (Rainer)
Nachdem ARCTIC RAIN mit ihren bisher veröffentlichten zwei Alben an Nummer 2 auf dem Billing standen, war es nur logisch, dass CRUZH mit ihren drei Alben direkt nach ARCTIC RAIN auf die Bühne durften. CRUZH existieren seit 2013 und haben sich von Anfang an durch ihre großartigen Liveshows einen ausgezeichneten Ruf in der Szene erspielt. Mit dem Titeltrack des aktuellen Albums The Jungle Revolution gelang den Schweden ein idealer Einstieg. Frontmann Alex Waghorn hatte das Plan B mit seinem breiten Grinsen von Anfang an im Griff – und ich meine hier nicht nur die weiblichen Besucher.
Man muss aber auch sagen, die längeren Haare machen aus dem Sänger optisch tatsächlich einen richtigen Rockstar und auch gesanglich war das sehr überzeugend. Nicht jeder Ton saß perfekt, aber mit seiner immensen Ausstrahlung machte er das mehr als wett. Auch die nächsten zwei Songs, ‚FL89‘ und ‚Angel Dust‘ stammen vom letztjährigen Longplayer und schraubten das Stimmungslevel noch weiter nach oben. Besonders bei ‚Angel Dust‘ brodelte es ordentlich und selbst, wer bislang das Treiben auf der Bühne nur mit einem anerkennenden Nicken verfolgte, schwang seine Hüften zu dem meiner Meinung nach besten Song der jungen Schweden.
Danach wurde Tropical Thunder, das zweite Album mit ‚Turn Back Time‘, ‚New York Times‘, dem Titeltrack und ‚Line In The Sand‘ ordentlich gewürdigt, ehe Bassist Dennis Butabi Borg (dem übrigens kein Lächeln über die Lippen kam und damit einen krassen Kontrast zum Frontmann darstellte) ‚Set Me Free‘ mit dem Hinweis ankündigte, dass sich Schlagzeuger Matt Silver vor einigen Tagen das Handgelenk gebrochen hat – angemerkt hat man ihm das aber zu keiner Sekunde.
Nach ‚Paralyzed‘ und ‚Hard To Get‘ wurden dann auch zum Schluss natürlich die 2 größten Hits der Band gespielt: ‚We Go Together‘ und ‚Aim For The Head‘ waren dann ein würdiger Abschluss eines richtig überzeugenden Gigs, den so manche nicht erwartet hätten und für viele waren CRUZH damit eine der besten Bands des gesamten Festivals überhaupt.
SEVENTH CRYSTAL (Ulle)
Härtetechnisch eine ganze Schippe drauf legten anschließend die Göteborger SEVENTH CRYSTAL, die ihren Sound zudem noch mit allerlei Gitarrenlicks und rythmischen Varianten anreicherten und somit fast schon in Prog Metal-Sphären wildern. Das dafür notwendige technische Können hat die Band zweifellos, und auch Sänger Kristian Fyhr kann mit einer dafür passenden und enorm druckvollen Stimme aufwarten. Trotzdem hat es mir die Band ein wenig schwer gemacht: zum einen habe ich den Sound trotz meines bereits fortgeschrittenen Hörverlustes als viel zu laut empfunden, wodurch die vielen technischen Finessen leider in einem einzigen Klangbrei untergingen. Zum anderen bin ich eher ein Freund von Songs mit deutlich reduzierteren Arrangements, die gerade live eher auf den Punkt kommen und schon beim ersten Hören nachvollziehbarer sind.
Dass die Band gleich viermal jeweils zwei Songs in einem Medley zusammengefasst hat, hat die Eingängigkeit zusätzlich erschwert. Bei einem Einzelgig vor überwiegend eigenen Fans, die mit dem Material der Band bereits vertraut sind, mag dies funktionieren, aber vor einem gemischten Festivalpublikum halte ich dies für keine gute Entscheidung. Letztendlich ist aber alles Geschmacksache, und SEVENTH CRYSTAL standen anderen Bands hinsichtlich der Publikumsreaktionen in nichts nach und hatten mit Sicherheit einige neue Fans erobert – nur mich halt leider nicht. So verließ ich die Halle kurz vor Ende ihres Gigs, um schneller ans übrigens vorzügliche und überraschend preiswerte Futter des Foodtrucks zu gelangen, vor dem sich in den Umbaupausen immer beträchtliche Schlangen bildeten.
BAD HABIT (Ulle)
Die Schweden BAD HABIT gibt es bereits seit Ende der 80er Jahren, weshalb ihr Auftritt von nicht wenigen unter den Zuschauern heiß erwartet wurde. Dass sich einige Erwartungen letztendlich nicht erfüllt hatten, lag vor allem an einem zugegebenermaßen peinlichen Patzer, als die Band bei einen Song nach einem Spielfehler völlig raus war und sich der Mann am Mischpult gezwungen sah, auch die mitlaufenden Tonspuren abzuschalten. Der Sound der noch ratlos weiterspielenden Band wurde auf einmal merklich dünn: hier war ganz offensichtlich viel Fake im Spiel.
Dass die Band bei mir trotzdem auf der Gewinnerseite steht, hat verschiedene Gründe: zum einen war BAD HABIT bei weitem nicht die einzige Band, die Tonkonserven zur Soundfülle eingesetzt hat, denn insbesondere bei den Background-Vocals wurde in Malmö häufiger getrickst. Bei BAD HABIT waren jedoch massive Keyboards zu hören, obwohl gar kein Keyboard auf der Bühne stand. Somit hat die Band auch gar nicht erst versucht, den Anschein zu erwecken, dass hier jeder Ton live gespielt ist. Das finde ich ehrlicher als die bewusste Täuschung durch ein so-tun-als-ob zum Gesangsplayback. Zum anderen bedeuten mir persönlich tolle Songs wie `Rowena´ oder `A Lot To Learn´, die ich mir zuhause immer wieder auflegen kann, einfach mehr als ein durch ein solches Missgeschick eingetrübtes kurzlebiges Live-Erlebnis, von dem in der Regel ein paar verblassende Erinnerungen bleiben. Und davon hatte die Band einige weitere im Gepäck, die mich wirklich überzeugt haben und die demnächst auf CD gepresst in meiner Schatzkiste stehen werden.
FM (Rainer)
Nach dem meiner Meinung nach sehr durchwachsenen Auftritt von BAD HABIT, kam mit FM nicht nur der Headliner des ersten Tages, nein, für viele waren die Briten das Highlight des gesamten Festivals. Die Frage war nur, ob FM ihren Legendenstatus auch in Malmö auf der Bühne umsetzen konnten. Obwohl die Band mit Merv Goldsworthy (Bass), Pete Jupp (Schlagzeug) und Steve Overland (Gesang) immer noch drei Originalmitglieder in ihren Reihen haben, ist es doch der Sänger, mit dem man FM immer verbinden wird. Und so lag über dem Auftritt der Band so eine leichte Magie, weil Overland auf der Bühne einfach eine unfassbare Ausstrahlung hat. Der Einstieg mit dem relativ harten ‚Digging Up the Dirt‘ vom verkannten Heroes And Villains Album gelang perfekt.
Auch im nachfolgenden Verlauf, streute die Band immer wieder „neueres“ Material, wie ‚Killed By Love‘, ‚Synchronized‘, ‚Turn This Car Around‘ oder ‚Story Of My Life‘ in die Setlist ein, aber natürlich waren es hauptsächlich die Klassiker, welche das Stimmungslevel auf den Siedepunkt trieb. ‚I Belong To The Night‘ und das oft übersehene ‚Don’t Stop‘ wurden relativ früh gespielt. Natürlich singt Steve Overland nicht mehr so perfekt wie vor 30 Jahren, aber die letzten 5% kitzelt der Frontmann mit Hilfe seiner charismatischen Art und Weise aus den Songs, wie ich es selten vorher gehört habe.
Mit ‚All Or Nothing‘ vom 92er Output Aphrodisiac bog die Band dann in die Zielgerade ein und dann gab es kein Halten mehr als Klassiker auf Klassiker folgte: ‚Does It Feel Like Love‘, ‚Hot Wired‘, ‚That Girl‘, ‚Bad Luck‘ und ‚Tough It Out‘ – welche Band kann live auf eine solche Hitdichte verweisen? Mit ‚Turn This Car Around‘ verabschiedete sich die Band um dann nochmal mit den Zugaben ‚Story Of My Life‘ und ‚Other Side Of Midnight‘ auf die Bühne zurückzukommen.
Ein wahnsinnig starker Auftritt lässt das Publikum absolut zufrieden in die After-Show-Party wanken, bei der Steve Overland alle Fotowünsche der Fans freudig erfüllt. Was für ein Musiker, was für ein Gentleman!

