Fast sieben Jahre ist es schon wieder her, dass die Band anlässlich der Sometimes The World Ain’t Enough-Tour im Dezember 2018 in Aschaffenburg Halt machte. Der Auftritt im März 2020 fiel bekanntlich der Corona-Pandemie zum Opfer. Entsprechend groß ist unsere Freude auf das Konzert.
Pünktlich um 20 Uhr darf die schwedische Vorband METALITE auf die Bühne und sich den zahlreich vorhandenen Zuschauern stellen. Ich muss zugeben, dass ich vorher noch nie etwas von der Band gehört hatte und deshalb gehe ich ohne große Erwartungen an den Auftritt ran. Als eine großgewachsene Sängerin in einem knappen Outfit, das mehr Haut als Stoff zeigt, die Bühne entert, sind meine Befürchtungen groß, dass gleich eine Trällerelse loslegt und Symphonic Metal angesagt ist. Aber zum Glück kommt es dann doch anders. Wir bekommen modernen „Power“-Metal präsentiert, der live deutlich besser rüberkommt als von Konserve. Die Band geht mit viel Herzblut an die Sache, die Sängerin hat eine ordentliche Röhre und die Songs gehen durchgängig schon fast unverschämt gut ins Ohr. Natürlich gewinnt man mit so was keinen Originalitätspreis und ist auch meilenweit von dem entfernt, was ich persönlich unter Power Metal verstehe (also sowas wie JAG PANZER oder METAL CHURCH), macht aber trotzdem ordentlich Laune und kommt insgesamt recht gut beim Publikum an.
Nach einer 30-minütigen Umbaupause, die zum Fachsimpeln mit Hyronimus aus dem Rock-Hard-Forum genutzt wird, geht es mit dem Intro der aktuellen Scheibe los. Auf der Bühne wird es langsam eng, als nacheinander die 8 Bandmitglieder auf die Bretter kommen. Als man mit ‚Stratus‘ loslegt, kennt das Publikum kein Halten mehr und ist innerhalb von Sekunden von 0 auf 180. Björn Strid in seinem Operettengenerals-Kostüm gelingt es sofort, das Publikum nach Belieben zu dirigieren, während von der Seite die beiden Sängerinnen das ganze Konzert über die Zuschauer anfeuern. Ein Feuerwerk an Hits wird dann abgefeuert und egal, ob es sich um neuere Lieder wie ‘Shooting Velvet’ oder Klassiker wie ‘Domino’, ‘Divinyls’ oder ‘Gemini’ handelt, der gut gefüllte, aber nicht ganz ausverkaufte Colos-Saal feiert jedes einzelne Lied ab. Es wird mitgetanzt, gesunden, gehüpft – Ekstase pur. Das merkt man auch der Band an, die von der ersten Minute an wirklich alles gibt. Besonders hervorzuheben ist Band-Boss Björn Strid. Zitat Hyronimus: „Dass der aber in seinem Glitzer-Fransen-Anzug nicht irgendwann vor Überhitzung umgekippt ist, ist ein echtes Wunder.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Für mich erweist sich das rhythmisch sehr vertrackte ‘Cosmic Tide’ ein bisschen als Stimmungskiller. Das dürfte man gerne gegen ein Lied von Skyline Whispers (‘Stiletto’!) ersetzen, denn diese Platte findet heute Abend als einzige Scheibe im Schaffenswerk der Schweden keine Berücksichtigung. Auch von meinem persönlichen Band-Highlight Sometimes The World Ain’t Enough wird nur ein Song gespielt, das ist dann aber mit ‘Can’t Be That Bad’ mein absolutes Lieblingslied von TNFO. Scheinbar stehe ich mit der Meinung nicht ganz alleine da, denn die Stimmung ist auf dem Siedepunkt. Danach steht mit dem epischen Longtrack ‘Transatlantic Blues’ vom Debüt ‘Internal Affairs’ ein etwas ruhigerer Moment an, bevor mit ‘Burn For Me’ der letzte reguläre Song gebracht wird.
Natürlich wird danach die Band total abgefeiert und logischerweise lassen sich die Schweden nicht lange bitten und kehren für drei Zugaben zurück. ‘White Jeans’ bringt die Zuschauer dann wieder komplett zum Ausrasten, während ich ‘Way To Spend The Night’ gegen ‘Pretty Thing Closing In’ oder den Titelsong von Sometimes… eingetauscht hätte. Dafür lässt zum Abschluss das unkaputtbare ‘West Ruth Ave’ keine Wünsche mehr offen. Als Höhepunkt zieht sich dabei eine nicht enden wollende Polonaise durch den Colos-Saal. Einfach alles unfassbar!
Was für ein Abend! Ich kann nur wiederholen, dass die Band in einer gerechteren Welt bei der nächsten Tour nicht mehr im Aschaffenburger Colos-Saal, sondern in der Festhalle in Frankfurt auftreten müsste.
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