LANDFALL – Wide Open Sky

Label
Frontiers
Erscheinungsdatum
17.01.2025
Tracklist
1. Tree Of Life
2. SOS
3. When The Curtain Falls
4. Running In Circles
5. No Tomorrow
6. A Letter To You
7. Coming Home
8. Intoxicated
9. Hourglass
10. Higher Than The Moon
11. Wide Open Sky
Line-Up
Gui Oliver – Vocals
Marcelo Gelbcke – Guitar, Backing Vocals
Luis Rocha – Bass, Backing Vocals
Felipe Souza – Drums, Backing Vocals
Unsere Wertung
75
Leserwertung0 Bewertungen
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75

Über die Brasilianer LANDFALL bin ich ganz zufällig durch Stöbern im Internet gestolpert, weil mich eine Info über ihre Herkunft neugierig gemacht hatte und ich feststellen wollte, ob deren Sänger einen ähnlich charmanten portugiesischen Akzent hat wie seinerzeit Andre Matos (gone, but not forgotten), der mit Holy Land von ANGRA eines meiner persönlichen Top Ten – Alben geschaffen hat. Und tatsächlich: auch der Gesang von Gui Oliver lässt ganz eindeutig auf einen Ursprung im portugiesischen Sprachraum schließen – wenn auch weniger ausgeprägt. Noch begeisterter war ich allerdings von dem Song, den mir meine Streamschleuder als Hörprobe kredenzt hat: `Chance To Destiny´ vom zweiten, Ende 2022 erschienenen LANDFALL–Album Elevate ist ein absoluter Knaller mit einfallsreichem Songwriting, Niederknie-Melodie und tollem Gesang mit einer unverwechselbaren Stimmfarbe.

Überhaupt war das gesamte Album überaus gelungen und insgesamt eine deutlich hörbare Weiterentwicklung gegenüber dem Debut The Turning Point aus dem Jahr 2020, das ich mir erst vor ein paar Wochen besorgt habe. Dort wurde noch zwar überzeugender, ansonsten aber wenig überraschender AOR mit dezentem Journey-Touch geboten, während der Sound auf Elevate durch eine leichte Prog–Note ergänzt wurde, die der Band hervorragend steht (by the way: eine ganz ähnliche Entwicklung mit fast zeitgleichen Veröffentlichungen haben auch die Schweden ARCTIC RAIN vollzogen, deren neues Album ebenfalls demnächst erscheint und die ich auf dem kommenden Malmö Melodic Festival live erleben darf). Nun ist das dritte Album Wide Open Sky erschienen, und ich bin sehr gespannt, wohin sich LANDFALL anno 2025 entwickelt haben.

`Tree Of Life´ klingt schon einmal wie eine konsequente Fortsetzung des auf ihrem zweiten Album eingeschlagenen Weges: ein hochmelodischer Song mit positiver Stimmung, der immer wieder mal aus dem engen 4/4–Taktschema ausbricht und den Prog-Anteil deutlich ausbaut. `SOS´ beginnt vergleichsweise düster, bretthart und etwas sperrig, um Richtung Refrain wieder majestätischen Glanz auszustrahlen. Braucht ein paar Umdrehungen, zündet dann aber. `When The Certain Falls´ beginnt ebenfalls proggig und fügt dem Ganzen auch noch leicht schrammelige Gitarren hinzu. Auch dieser Song wird von der Stimmgewalt von Gui Oliver getragen, hat jedoch nicht die zwingenden Melodien und kann mit den beiden Vorgängern nicht ganz mithalten. Auf `Running In Circles´ vernehme ich leichte `Seperate Ways´ (JOURNEY)–Anleihen, die jedoch nicht ganz dessen Klasse erreichen.

Meinen leichten Anflug von Stirnrunzeln begegnen LANDFALL anschließend mit der reinrassigen AOR-Hymne `No Tomorrow´, die mit positiven Vibes und tollen Melodien sofort zündet. `A Letter To You´ ist eine Powerballade der absoluten Spitzenklasse, die wirklich packt, überraschende Wendungen und tolle Gitarrensoli im Satriani–Style enthält. Ganz großes Kino! `Coming Home´ rockt dann wieder fröhlich und mit unwiderstehlicher brasilianischer Leichtigkeit drauflos. Sehr treibend, sehr eingängig, sehr geil!  `Intoxicated´ beginnt mit ein paar ungewöhnlichen Keyboard–Spielerein und enthält durch den Effekt-Fleischwolf gezogene und gedoppelte Vocals, was für meinen Geschmack dann doch etwas zu viele Spielereien sind.

`Hourglass´ ist fast sieben Minuten lang und gefällt mir trotz des Frickelbeats durch den majestätischen Refrain und durch das herrliche Break wieder besser, dürfte bei Eingängigkeitsfanatikern allerdings erneut Verwirrung stiften. `Higher Than The Moon´ setzt ebenfalls auf variable Rhythmik und erinnert stark an die LANDFALL-Landsleute ANGRA zu Fireworks–Zeiten. Der Titelsong findet sich am Ende des Albums, und `Wide Open Sky´ zieht noch einmal alle Register und begeistert mit tollen Melodien und positiven Vibes, ohne sich jedoch wieder in allzu vielen Frickeleien zu verlieren. Das Ende wird schön hinausgezögert, und jeder Musiker gibt noch einmal alles, bevor ein sanftes Keyboardpreludium den Schlusspunkt setzt.

Puh… Wide Open Sky ist ein Album geworden, das einige Bereitschaft für das erfordert, was über den schmalen AOR-Tellerrand hinausgeht. Die Entwicklung vom Debut zum Vorgängeralbum wird somit konsequent ausgebaut, und es fällt auch auf, dass LANDFALL mit deutlich ungebremsteren Schaum spielen als bei den beiden vorherigen Alben. Wenn Musiker so von der Kette gelassen werden, toben sie sich natürlich aus, wodurch einerseits zwar das enorme technische Können sicht- bzw. hörbar wird, anders aber auch die Gefahr besteht, dass der Fluss durch allzu viele technische Spielereien verloren geht. So enthält das Album dann doch ein paar Songs, die für meine AOR-geprägten Hörgewohnheiten reichlich anstrengend sind und bei mir auch nach mehreren Durchläufen noch nicht so richtig zünden wollen. Am Ende stifte ich 75% für ein Album, das die volle Konzentration erfordert und somit nicht für den leichtverdaulichen Feierabendkonsum taugt, mit `No Tomorrow´ und `A Letter To You´ aber auch zwei sichere Kandidaten für meine persönliche Jahresbestenliste enthält.

  1. 70
    Überzeugend, aber kein Erdbeben für das Genre

    Ich bin durch diese Website überhaupt erst auf Landfall gestoßen. Ihre vorherigen Releases kenne ich noch gar nicht und kann mir deshalb über die Entwicklung der Gruppe noch gar keine Meinung bilden. „Wide open Sky“ ist auf jeden Fall eine hörenswerte Platte, die oft über den klassischen AOR hinaus geht (was ich persönlich alles andere als schlecht finde). Auch die Texte folgen nicht immer den typischen AOR-Themen, was ebenfalls nicht übel anstößt.
    Der Opener „Tree of Life“ startet flott durch. Geile Gitarre, guter Beat und tolle Melodie. Hätten Fortune und Alien auch nicht besser hingekriegt.
    Track 02 trägt den Titel „SOS“ und ballert gitarrenmäßig erstmal richtig los. Das ist kein AOR; das könnten Rush anno 1977/78 oder auch nach ab 2007 gewesen sein. Das Lied zündet nicht auf Anhieb, aber bei mir war es nach dem zweiten Durchlauf ganz sicher gebucht. Landfall können also auch Metal. Amtlich, Jungs!
    Track 03 („When the Curtain falls“) besticht durch seine sehr gute Schlagzeugarbeit. Ob es das frickelige Keyboard-Intro braucht, ist Ansichtssache. Bei den Gesangslinien höre ich sehr schönen AOR, doch das Gesamtgerüst des Songs geht darüber hinaus. Auf jeden Fall hörenswert.
    Es folgt „Running in Circles“: Ein guter Song. Nicht mehr und nicht weniger. Zu gut, um ein Filler zu sein. Aber am Ende auch zu beliebig, um mich als Hörer vom Schemel zu fegen. Ich würde den Song beim Hören nicht skippen, aber ein Highlight ist er für mich nicht.
    Song Nr. 5n („No Tomorrow“) würde bei mir leider schon Skippen erleben. Klar, die Jungs beherrschen ihre Instrumente und wissen, wie man Songs schreibt. Aber die Nummer schockt mich jetzt leider nur mäßig. Da der vorherige Teil der Platte aber echt cool war, vergeht mir die Laune auf Landfall nicht.
    Und sie machen es sofort wieder gut! „A Letter to you“ als Track 05 besticht durch tolle Gitarrenarbeit und eine großartige Melodieführung. Auch zeigt der Song die Qualitäten des Sängers. Ein tolles Lied. Um 1988 herum hätten Landfall damit sicher einen Radio-Hit am Start gehabt.
    Das darauf folgende „Coming Home“ zeigt zum Teil metallisches Riffing und zieht tempomäßig auch gut an. Doch was mich betrifft, zündet der Song trotz seines Led Zeppelin-mäßigen Breaks nicht so richtig.
    Und dann kommt „Intoxicated“… Man zeigt sich experimentell mit off-Time-Beats und Synthie-Effekten. Nope, Leute. Das war’s nicht. Zwischendrin nette Melodien, aber der Song wirkt insgesamt auf mich wie gewollt, aber nicht gemeistert. Meiner Meinung nach die schwächste Nummer auf dem Album.
    Track 09 („Hourglass“) knackt fast die 7-Min.-Marke, doch das merkt man kaum. Der Song entschädigt mehr als nur für seine Vorgänger! Es wird im Ansatz gut geprogged. Die Gesangsmelodie will entdeckt werden, denn sie zündet nicht auf Anhieb. Der Song braucht zwei, drei Anläufe, ist aber sehr stark.
    „Higher Moon“ als die folgende Nummer lädt ein wenig zum Träumen ein. Sehr schöne Melodie und ein gutes Beispiel für den AOR der 2020er Jahre. Kein Song, der die Welt aus den Angeln hebt, aber ein schön geschriebenes Lied, das ich gerne höre.
    Dasselbe gilt für den Abschluss des Albums, den Titeltrack „Wide open Sky“. Man hört da, wie ich finde, ein wenig Night Ranger heraus. Eine nicht zu flotte Rocknummer mit schönem Refrain, die Landfall zu einer echten Empfehlung macht.
    FAZIT
    Eine richtig gelungene Platte von Musikern, die ihre Instrumente beherrschen und ganz offensichtlich mit Leidenschaft am Werk sind. So was mag ich. Nicht jeder Song konnte mich erreichen, aber so ist das halt. Ich werde Landfall auf jeden Fall auf meinem Radar halten. Der Sänger Gui Oliver ist auf jeden Fall sehr gut am Werk. „Wide open Sky“ hat viele Höhepunkte, aber auch ein paar Schwächen. Diese Schwächen mögen aber auch auf meinem persönlichen Empfinden beruhen. Alle, die gut gespielte, melodiöse Rockmusik mögen, sollten bei Landfall auf jeden Fall mal reinhören.
    Anspieltipps:
    Tree of Life
    A Letter to You
    Wide open Sky