PERFECT PLAN – Brace for Impact

Label
Frontiers
Erscheinungsdatum
14.10.2022
Tracklist
1. Surrender
2. If Love Walks In
3. Can’t Let You Win
4. Gotta Slow Me Down
5. Stop The Bleed
6. My Angel
7. Devil’s Got The Blues
8. Bring Me A Doctor
9. Still Undefeated
10. Emelie
11. Walk Through Fire
Line-Up
Kent Hilli - Lead vocals
Rolf Nordström - Guitar
Leif Ehlin - Keyboards
Fredrik Forsberg - Drums
Mats Byström - Bass
Unsere Wertung
85
85

Wenn es im weiten Bereich der melodischen Rockmusik derzeit so etwas wie die Band der Stunde gibt, dann sind dies zweifelsohne die beiden schwedischen Bands NESTOR und PERFECT PLAN (einige Kollegen würden hier unbedingt auch CHEZ KANE nennen, die bei mir allerdings noch nicht gezündet hat). Während erstere aber über dreißig Jahre für ihren überragenden Erstling gebraucht haben, schmeißen letztere nun mit Brace For Impact bereits ihren dritten Longplayer seit 2018 auf den Markt. Während das All Rise getaufte Debut bereits mit tollen Songs und tollem Handwerk glänzte, aber zwischen orgeligem Rock mit Blueswurzeln und Melodicrock/AOR pendelte und somit noch etwas der rote Faden fehlte, zeigte das Zweitwerk Time For A Miracle aus dem Jahr 2020 einen deutlichen Schwenk in Richtung AOR, was sowohl bei Pressekollegen wie auch Fans nahezu ungeteilte Zustimmung einbrachte.

Verantwortlich für den Erfolg war vor allem auch Sänger Kent Hilli, der mit seiner kraftvoll-warmen, irgendwo zwischen Jimi Jamison (SURVIVOR), Dann Huff (GIANT) und Steve Lee (GOTTHARD) angesiedelten Stimmfarbe derart zu begeistern wusste, dass er nicht nur den Deal für sein mit The Rumble betiteltes Soloalbum ergattern konnte, sondern wenig später auch den Posten des Frontmans bei den AOR-Legenden GIANT und deren neuen Album Shifting Time (zu beiden Alben findet ihr ein Review von Biblechef Rainer).

Als Album-Opener beginnt ‘Surrender’ mit einem entfernt an ‘Run To You’ erinnernden Gitarren-Preludium, bevor ein mit fetter Schweineorgel unterlegtes Riff einen Rocker freigibt, der auch von einem WHITESNAKE, frühen GOTTHARD- oder VOODOO CIRCLE–Album stammen könnte. Das Preludium taucht noch einmal in einem schönen Break auf, was den Song letztendlich auf über 5 Minuten streckt. Für meinen Geschmack trägt Kent Hilli mit starkem Vibrato und zahlreichen Kieksern zwar etwas zu dick auf, aber das ist nur ein kleiner Schönheitsfehler eines ansonsten starken Songs.

‘If Love Walks In’ ist dann 80er–AOR in Reinkultur und vereint fast alles, was die sattsam bekannten Essenzen aus Bands wie Toto, Survivor und Konsorten hergeben, und münden schließlich in einer mit Chören unterlegten Hookline, die sich hartnäckig weigert, wieder aus den Gehörgängen zu verschwinden – Klasse! ‘Can´t Let You Win’ beginnt fast schon als etwas hektischer Heavyrocker, wie ihn MALICE zu License To Kill–Zeiten gespielt haben, wobei der Refrain wieder zu den AOR-Wurzeln zurückführt. Gut, aber nicht so zwingend wie der Vorgänger.

‘Gotta Slow Me Down’ ist ein fett groovender Stampfer, bei dem sich Gesang und Gitarre in der Strophe abwechseln und eine sehr rhythmische Refrain-Hookline zeigen, die man irgendwo schon einmal gehört zu haben glaubt. Für das obligatorische Solo darf endlich auch mal der Keyboarder ran, was den Song zusätzlich spannend macht. ‘Stop The Bleed’ ist eine Ode gegen Hass und beginnt mit einer cleanen, von flächigen Keyboards untermalten Gitarre und einleitenden spoken Words von Kent Hilli, bevor ein dezent an ‘Kashmir’ erinnerndes Gitarrenriff einen etwas sperrigeren, aufgrund der Thematik überwiegend in Moll gehaltenen Song zeigt, der einige Durchgänge braucht, um sich im Gehörgang festzubeißen.

Bei ‘My Angel’ trauen sich PERFECT PLAN den ganz tiefen Griff in die Balladenkitsch-Kiste – inclusive Piano-Intro, Gitarrenhelden-Solo, zeitweisem Abdriften in die Kopfstimme von Kent Hilli und ‘Uuuuuh’ – Chören. Ich liebe Kitsch! Der anschließende Titel ‘Devil´s Got The Blues’ weckt falsche Erwartungen, denn statt Blues gibt’s wieder einen an frühe Gotthard erinnernden, stampfenden Rocker, was durch dieses spezielle nasale Steve Lee–Timbre bei den Vokalen verursacht wird, das auch Kent Hilli auszeichnet. Nicht die schlechteste Referenz, auch wenn der Song eher unspektakulär bleibt.

Beim nächsten Song hört man erst einmal ein fingiertes Telefongespräch, in dem mit gespielter Verzweiflung über das eigene Liebesleben der Notarzt geordert wird. Dementsprechend wurde er ‘Bring Me A Doctor’ getauft und zieht noch einmal ordentlich das Tempo an. Sehr geiler Song, der textlich wie musikalisch auch auf einem Endachtziger–Hairmetal-Album passen würde. Oder auf einem von Gotthard.

Bei ‘Still Undefeated’ wird dann wieder gestampft und geschweineorgelt und zudem eine Solo-Garnitur verabreicht, bei der sich Keyboard und Gitarre abwechseln. Nett. Wenn Songs nach den Vornahmen von Ladies betitelt werden, wird’s entweder tieftraurig oder beschwingt-fröhlich. ‘Emelie’ beschreibt positive Erlebnisse und zählt somit nicht nur zu letztgenannter Kategorie, sondern ist auch ein lupenreiner AOR-Song und ein absolutes Album-Highlight. Bärenstark!

Bei ‘Walk Through Fire’ ziehen PERFECT PLAN dann auch zum Abschluss noch einmal alle AOR-Register und bieten fette 80er-Keyboards, schöne Melodien, ein sehr geiles, auf das anschließende Gitarrensolo vorbereitendes Break und vollendet ausgearbeitete Chöre, die fast an die von mir so hochgeschätzten CATS IN SPACE heranreichen. Ein absolut würdiger Album–Abschluss.

Fazit:

Bei einem dritten Bandalbum kann man schon von einer „typischen Soundrezeptur“ schreiben, die im Falle von PERFECT PLAN aus einer wohlschmeckenden Mixtur aus Hardrock und AOR besteht. Was beim Debut der Band noch als etwas unausgegoren kritisiert wurde, entpuppt sich bei näherem Hinhören jedoch als Stilmittel, welches ein Album als Gesamtkunstwerk abwechslungsreicher macht, aber eben auch ein mehrmaliges Hören und intensiveres Beschäftigen erfordert, bevor es sich in seiner gesamten Pracht entfaltet. Gourmets werden die untypischen Akkordwechsel bei den Breaks bemerkt haben, die zusätzlich aufhorchen lassen und die Klasse des Songwritings herausstellen. Acht wirklich gute, teils herausragende Songs bei lediglich drei Füllern ergibt bei mir starke 85% auf der AOR-Bible–Skala. Well done!