30 Jahre nach der Veröffentlichung des Debüts Ceremony Of Innocence bringt Tommy Denander mit seinem Projekt RADIOACTIVE das 5. Album X.X.X. an den Start. Scheinbar hat sich die Veröffentlichung etwas verzögert, denn der Albumtitel hätte zum Jahr 2021 deutlich besser gepasst. Beim Debüt hatte er mit der Toto-Backingbesetzung Jeff Porcaro, Mike Porcaro, Steve Porcaro und David Paich eine wirklich namhafte Truppe am Start und auch bei den nachfolgenden Alben konnte er genügend prominente Mitstreiter aus dem AOR- und Rockbereich für sich gewinnen.
Diesmal scheint Multiinstrumentalist Denander den Aufwand etwas geringer gehalten zu haben, denn die beteiligten Musiker sind diesmal nicht unbedingt die allerbekanntesten Namen, wobei natürlich Produzentenlegende John „Mutt“ Lange, der sich an zwei Liedern beteiligt hat, heraussticht.
Der von Jerome Mazza gesungene Opener ‘Monkey On Our Backs’ wurde vorab als Single mit Video veröffentlicht. Sirenengeheul, Radioansagen und ein paar Gitarrenriffs im Hintergrund eröffnen das Lied. In seinen besten Momenten erinnert es an SEVENTH KEY, ohne ganz die pompöse Mächtigkeit zu erreichen. ‘The Deed Is Done’ ist dann schon fast AC/DC-tauglicher Riffrock und reichlich reduziert. Robin McAuley erkennt man natürlich sofort, wobei ich seine Stimme aus MSG-Zeiten geschmeidiger in Erinnerung habe. Puh, das ist jetzt nicht unbedingt verkehrt, aber nicht wirklich das, was ich von RADIOACTIVE erwartet habe.
Lustigerweise erscheint ja am gleichen Tag auch die neue Platte von FIND ME, während Robbie LaBlanc auch hier für drei Lieder seine Stimmbänder strapazieren darf. ‘Remember The Ghosts’ hat einen einprägsamen Refrain und swingt ordentlich. Die Komposition lässt mich mehrfach und ganz besonders zum Ende hin an aktuelle Magnum denken. ‘Written In The Scars’ wird vom mir komplett unbekannten Christian Ingebrigtsen gesungen und ist ein lockerer Westcoast-Track, der am ehesten an die Frühphase von RADIOACTIVE erinnert, als die Nähe zu TOTO oft zu spüren war.
Bei ‘If Today Was Your Last Day Alive’ kommt wieder die Stimme von Jerome Mazza zum Einsatz. Während die Strophe noch ein bisschen verhalten ist, wird es ab dem Prechorus richtig genial und der Chorus selbst ist für mich das absolute Highlight des Albums. AOR in Reinkultur! Puh, dafür liefert gleich hinterher McAuley mit ‘Move It’ das Lowlight des Albums ab. Öder Riffrock mit Hysteria-Gedächtnis-Refrain, den DEF LEPPARD aber gleich wieder aussortiert hätten. Dafür trifft der von LeBlanc gesungene flotte Rocker ‘Human Unkind’ schon eher meinen Geschmack, auch wenn beim Refrain noch Luft nach oben ist. Deutlich besser ist es dann bei ‘I Have A Dream’ mit ordentlichem Keyboardeinsatz und eingängiger Melodie. Dazu noch ein passender Spannungsbogen mit Dynamikwechseln und schon haben wir das nächste Highlight mit Mazza. Ich glaube, mit dem Mann muss ich mich bei Gelegenheit mal näher beschäftigen! Bei ‘Voodoo Queen’ darf wieder LeBlanc ran. Auch das Lied ist nur okay und kein Genre-Highlight. Schneller, härter und Rock ‚n‘ Rolliger wird es dann bei ‘Drag Me Through The Mud’. Das scheint für Daniel Byrne Programm zu sein, denn es geht reichlich dreckig zur Sache. Sorry, geht komplett an mir vorbei. Leider wird es mit dem von Clif Magness eingesungenem ‘California Ways’ zum Abschluss nicht viel besser. Rifforientiertes Lied und eher sparsam prägnanter Chorus, der mich an irgendetwas von VAN HALEN erinnert.
Ich kann es nicht leugnen, dass ich vom neuen RADIOACTIVE-Album etwas enttäuscht bin. Insgesamt fällt es um einiges härter als früher aus und etwas mehr Keyboardeinsatz hätte den meisten Liedern nicht geschadet. Die Highlights liefert eindeutige Jerome Mazza mit ‘If Today Was Your Last Day Alive’ und ‘I Have A Dream’ ab, während etliche Lieder eher nichtssagender Riffrock sind, mit dem ich den Namen RADIOACTIVE gar nicht in Verbindung gebracht hätte.