143. BRYAN ADAMS – Reckless

90

Platz
143
Punkte
430
Erscheinungsjahr
1984
Tracklist
1. One Night Love Affair 4:32
2. She's Only Happy When She's Dancin' 3:14
3. Run To You 3:54
4. Heaven 4:03
5. Somebody 4:44
6. Summer Of '69 3:35
7. Kids Wanna Rock 2:36
8. It's Only Love 3:15
9. Long Gone 3:57
10. Ain't Gonna Cry 4:06
Line-Up
Bryan Adams Vocals, Guitars, Percussion, Piano
Dave Taylor Bass, Backing Vocals
Keith Scott Guitars, Backing Vocals
Mickey Curry Drums
Unsere Wertung
90
Aus heutigem Blickwinkel betrachtet mag es durchaus verwunderlich erscheinen, aber es gab in der langen Karriere des Kanadiers tatsächlich mal eine Zeit, wo der Mann richtig gerockt hat und mit sowohl energiegeladenen als auch mitreißenden Liveshows zu begeistern wusste.

Den studiotechnischen Höhepunkt dieser Phase stellt zweifellos das 1984 veröffentlichte Reckless dar. Nachdem der direkte Vorgänger Cuts Like A Knife (1983) schon die Entwicklung in Richtung rockigere Töne angedeutet hatte, verfeinerte man diese Marschrichtung auf Reckless bis zur Perfektion und garnierte diese Grundlage zudem noch mit einer Prise Pop der niveauvolleren Art.

Höhepunkte des Albums gibt es reichlich. Den Anfang macht das flotte, aber noch etwas unauffällige ‚One Night Love Affair‘, bevor einen mit Track 3 in Form von ‚Run to you‘ auch schon der erste Hit anspringt. Kaum eine Party, bei dem der straighte Gute Laune-Song nicht gespielt wird, kaum ein Classic Rock-Sender, bei dem der Track nicht auf der Playlist steht. Dass einem der Song auch nach dem x-ten Hören nicht aus den Ohren herauskommt, spricht eindeutig für die Qualitäten von BRYAN ADAMS als Songwriter. Spannender Strophenaufbau, der in einen unwiderstehlichen, ohrwurmartigen Refrain mündet, welcher in den meisten Fällen auch noch mantra-artig wiederholt wird, ohne seine Wirkung zu verlieren. So einfach und doch so effektiv.

Dasselbe gilt auch für das unkaputtbare ‚Summer Of `69‘, welches völlig zurecht zur Hymne einer ganzen Generation mutierte, was in Anbetracht der beschrieben Soundmodifikationen dann auch nicht mehr wirklich verwunderte. Mit ‚Heaven‘ ist dann – logisch – auch eine DER Powerballaden schlechthin vertreten, für die wir BRYAN ADAMS in späteren Jahren noch so verfluchen sollten. Stichwort: ‚Please Forgive Me‘ – hier aber so inbrünstig, überzeugend und einfach ehrlich dargeboten, dass man sich des Charmes dieses Schmachtfetzens nur schwerlich entziehen kann.

Absoluter Höhepunkt des Albums stellt für mich aber das Duett mit Tina Turner Namens ‚It`s Only Love‘ dar. Dass die Dame auch eine gute Rockerin hätte werden können, dürfte spätestens seit ‚Nutbush City Limits‘ bestens bekannt sein – und auch hier beweist sie einmal mehr eindrucksvoll ihre Vielfältigkeit. Angereichert durch das melodische und zugleich leicht bluesige Gitarrenspiel von Keith Scott, nötigt es einem den allerhöchsten Respekt ab, mit welch spielerischer Leichtigkeit sich Adams und Turner die Bälle zuspielen und selbst schwierigste Passagen leichtfüßig erscheinen lassen. Ganz große Sangeskunst, von beiden Seiten.

An dem Gesamtwerk hervorheben muss man, neben ADAMS` charakteristischer Reibeisenstimme, auch die unglaublich tight aufspielende Rhythmusfraktion sowie das unaufdringliche, aber sehr effektive Gitarrenspiel. Ein schon grundsätzlich nach vorne peitschender Song wie ‚Kids Wanna Rock‘ gewinnt durch die sparsam eingesetzten, aber dafür umso wirkungsvolleren Riffs eine solche Dynamik, dass einem ein Vergleich zum puren Hardrock jener Zeit weder schwer fällt, noch ungerechtfertigt erscheint.

Zeitlos produziert von ADAMS und Haus- und Hofproduzent Bob Clearmountain, avancierte Reckless völlig verdient und mit 5 Platinauszeichnungen (5 Millionen verkaufte Einheiten) allein in den USA zum absoluten Bestseller. Ob das Ganze wegen seines breiten musikalischen Spektrums jedoch zwingend unter die Rubrik AOR kategorisiert werden muss, darüber lässt sich trefflich streiten. Im Übrigen auch der Grund, warum die Veröffentlichung in meiner persönlichen Liste gar nicht auftaucht und vielleicht auch eine Erklärung für die relativ tiefe Platzierung in der Gesamtauswertung.

Seis drum: In seiner Gesamtheit und trotz teils totgenudelter Hits immer noch ein absolut schlüssiges und faszinierendes Album, das sowohl denjenigen zu empfehlen ist, die es bisher tatsächlich geschafft haben sollten sich der Scheibe zu entziehen (also Menschen, die die letzten Jahrzehnte unter einem Stein gelebt haben), als auch jenen wärmstens ans Herz gelegt sein sollte, die Adams bisher nur mit den verweichlichten Songs und Radiohits der späteren Phase in Verbindung bringen.