Das Vorhaben, als hauptberuflicher Schauspieler und ehemaliger Teenie-Star eine weitere Karriere als ernstzunehmender Rockmusiker zu starten, ist gewagt – zu oft schon sind derartige Versuche aufgrund maßloser Selbstüberschätzung oder der frappierenden Fehleinschätzung des Managements, das mit halbgaren Veröffentlichungen noch einige Dollar aus ihren talentarmen Schützlingen rauszuquetschen versucht, gefloppt. RICK SPRINGFIELD hat es trotz zunächst erfolgreicherer Karriere als TV-Schönling in verschiedenen US-Serien definitiv geschafft und immer wieder erstklassige Rockalben auf die Menschheit losgelassen. Der Umstand, dass er bereits seit früher Jugend aktiver Musiker war, seine Songs zum größten Teil selbst schreibt und dazu auch noch eine amtliche Klampfe spielt, verleiht ihm auch die Glaubwürdigkeit, die vielen von ihrem Management in dieses Biz geschubsten Wannabees fehlt.
Spätestens mit dem Chartbreaker ‚Jessie´s Girl‘ vom 1981 erschienenen Album Working Class Dog war RICK SPRINGSFIELD auch als Musiker etabliert. Erwähnenswert ist auch der bemerkenswert kuriose Song ‚Bruce‘, in dem er sich auf lustige Art und Weise über ständige durch den ähnlichen Nachnamen von Boss BRUCE SPRINGSTEEN resultierenden Verwechslungen echauffiert. Damit schaffte er es anschließend ebenfalls in die Charts, obwohl er bereits einige Jahre zuvor veröffentlicht wurde. Der Höhepunkt seines Schaffens ist aber zweifellos das Platin-Album Living In Oz, das 1983 erschien und mit derart zahlreichen Ohrwürmern gespickt ist, dass es einen verdienten Platz Nr. 145 in unserem AOR-Album-Ranking geschafft hat. Hierfür konnte er einige namhafte Musiker gewinnen, denn die Liste der beteiligten Musiker (u.a. Gitarrist Tim Pierce, Drummer Mike Baird, Keyboarder Alan Pasqua) liest sich wie die Creme de la Creme der damaligen Musiklandschaft.
Songs wie ‚Affair Of The Heart‘, ‚Human Touch‘, ‚Souls‘ oder auch der Titelsong sind am besten als typische Rocksongs US-amerikanischer Prägung der frühen 80er Jahre zu beschreiben, wie sie auch von BRYAN ADAMS, John Cougar Mellenkamp oder Huey Lewis hervorgebracht wurden. Das Spannende an dem Album sind die vielen Überraschungsmomente, denn innerhalb der Songs zwingen immer wieder raffinierte Breaks, Keyboard-Spielereien oder druckvolle Riffs zum Zuhören, und auch der Rhythmus variiert häufig. ‚Alyson‘ z.B. beginnt als lupenreiner Reggae, bevor es im Refrain wieder ordentlich rockt. Bei ‚Tiger By The Tail‘ wird der Reggae-Rhythmus sogar konsequent durchgezogen, und trotzdem funktioniert auch dieser Song als einer mit unverkennbaren Rock-Wurzeln. ‚Me And Johnny‘ ist ein melancholischer Rückblick auf eine Jugendfreundschaft und erinnert mich persönlich sehr an ‚Summer Of 69‘ von BRYAN ADAMS im nachfolgenden Jahr veröffentlichten Album Reckless.
Den Abschluss besorgt dann der ungewöhnlichste Song, der zugleich auch mein persönliches Album-Highlight ist: bei ‚Like Father, Like Son‘ wird RICK SPRINGFIELD ausschließlich von einem Streicher-Quartett begleitet, das mit sehr rhythmischen Akzenten ein fast schon barock-anmutendes Kammermusik-Feeling fabriziert. Obwohl RICK SPRINGFIELD auch hier kaum Druck aus der Stimme nimmt, wirkt auch diese zunächst eher schräg anmutende Kombination äußerst stimmig.
Wer Bock auf ein abwechslungsreiches Rock-Album von einem sehr sympathischen und immer bodenständig gebliebenen Protagonisten hat und mit den genannten Referenz-Interpreten etwas anfangen kann, sollte unbedingt in Living In Oz reinhören. Mir ist das Album starke 86% wert.