16. BALANCE – In For The Count

Die Gründe, warum man sich mit dem Album befassen sollte, liegen nicht nur an den Namen der am Album beteiligten Musikern, sondern an den tollen Songs, insbesondere an einem ganz bestimmten – nicht ohne Grund gilt In For The Count in den Genrekreisen daher absolut zu Recht als ein großer AOR-Klassiker.

In For The Count stellt das zweite BALANCE-Album dar, das ein Jahr nach dem guten Debüt (das die erfolgreiche Single ‚Breaking Away‘ abwarf) erschienen ist. Auch 1982 bestand der Bandkern aus Peppy Castro, Doug Katsaros und Bob Kulick (2020 leider verstorben) – alles gestandene (Studio-) Musiker und zweifellos talentierte Songwriter.

Im Vergleich zum Debüt fiel In For The Count nicht nur etwas härter, sondern facettenreicher und reifer aus. Das Album lebt von tollen, hochmelodischen Songs, der kraftvollen Stimme (Castro) und der erstklassigen Gitarren- bzw. Keyboardarbeit (Kulick / Katsaros). Das beste Beispiel hierfür ist der alles überragende Titelsong (vertreten in meinen persönlichen All-Time 20 AOR Songs). Dieser ist AOR in seiner Quintessenz – ein simples, aber geniales Gitarrenriff, geschmacksvolle Keyboardteppiche, tolle Vokals und clevere Arrangements. Pure AOR-Magie!

Der Ausdruck „alles überragend“ trifft hier buchstäblich ins Schwarze, und das ist das „Problem“ dieses Albums – die Klasse der anderen Songs geht im Vergleich zum Titelsong ein wenig unter. Dabei bietet das Album absolut gesehen viele weitere tolle Momente: Einige Beispiele dafür sind das dynamische ‚All The Way‘ (mit seinen tollen Vokals), ‚Is It Over‘ (wo Kulick sein songorientiertes Spiel mit kurzen, aber einprägsamen und melodischen Licks würzt). Oder eben das eingängige ‚We Can Have It All‘ mit seinem tollen Mittelteil, das einen mehr als gelungenen Albumabschluss bildet.

Neben der Klasseleistung der drei Protagonisten Castro, Karsaros und Kulick (übrigens unerreicht: die Leadgitarre von Kulick 10 Jahre später auf ‚The Crimson Idol‘ von W.A.S.P.) darf ebenfalls die Tightness der Rhythmusfraktion um Feldman und Burgi nicht unerwähnt bleiben, die für den nötigen Drive sorgen –  hörenswert:  ‚Pull The Plug‘ und ‚Slow Motion‘. Übrigens, Chuck Burgi ist für mich einer DER AOR-Drummer – nicht ohne Grund kam 1983 (nachdem BALANCE nicht länger existierten) die Einladung des schwarzen Manns mit dem Hut um das Jahrhundertwerk Bent Out Of Shape miteinzuspielen.

Auch beim Sound gibt es nichts zu bemängeln – Toni Bonjiovi, der für die Produktion und das Engineering verantwortlich war, hat einen tollen Job abgeliefert.

Bei all den genannten Punkten kommt die berechtigte Frage auf, warum es das Album über den Geheimtippstatus nicht geschafft hat. Die Antwort auf die Frage ist simpel: schlechtes Timing und unglückliche Umstände. Bei dem Label CBS (BALANCE standen unter Vertrag bei Tochter Portrait) war der Personalabbau zum Zeitpunkt der Albumveröffentlichung in vollem Gange. Ausgerechnet traf dieser die Leute, die für die Promotion des Albums verantwortlich waren.  Dies führte im Ergebnis dazu, dass In For The Count seitens des Labels keine Promotion erhielt. Da halfen die Live-Auftritte – unter anderem in Japan – auch wenig. Danach, Ende 1982, war die Luft raus und die Band löste sich auf.

Was bleibt, ist ein lange vergessenes Juwel, das man allein wegen seines genialen Titelsongs kennen sollte und seine Erwähnung in der AOR-Bibel zu Recht verdient hat.

Tipp: Absolut empfehlenswert ist die Neuauflage auf Rock Candy (Aufmachung: wie immer vorbildlich), die die Singles ‚She’s Alone Tonight‘ und ‚Ride The Wave‘ beinhaltet.