52. ORION THE HUNTER – s/t

ORION THE HUNTER war eine leider kurzlebige Supergruppe. Mit der Stimme des Sängers Fran Cosmo (künftig: BOSTON), dem Gitarristen Barry Goudreau (ex-BOSTON, künftig: RTZ) und keinem Geringeren als dem großartigen Brad Delp – der beim Songwriting und den Backing Vocals hier ebenfalls mitanpackte – mangelte es ORION THE HUNTER weder an Talent, noch am musikalischen Können zur Umsetzung der Ideen. Die Rhythmusfraktion war ebenfalls kompetent und prominent mit den ex-Mitgliedern von HEART (Michael DeRosier) und der ALICE COOPER-BAND (Michael Bruce) besetzt.

 

Das einzige Album von ORION THE HUNTER stellt vor dem Hintergrund des BOSTON-Bezugs das quasi inoffizielle BOSTON-Album aus dem Jahr 1984 dar. Es ist – was den Sound und die Qualität des Songwritings betrifft – mit dem 2 Jahre später erschienen Third Stage (das meiner bescheidenen Meinung nach das beste BOSTON-Album darstellt) durchaus vergleichbar.

 

Aufgenommen in den renommierten Power Station Studios in New York, hat das Album seinerzeit allgemein für seine Fülle an großartigen Songs, die für AOR-Verhältnisse progressiven Arrangements und einen voluminösen Sound zu Recht sehr gute Kritiken und Platzierungen bekommen (u.a. Platz 57 in den Billboard-Charts). ORION THE HUNTER bauten auf den Grundlagen von BOSTON auf – insbesondere Goudreau‘s Gitarrenarbeit und Cosmo’s Gesang sind exquisit. Die Songs sind durch die Bank hörenswert und nicht nur den BOSTON-Fans, sondern grundsätzlich jedem AOR-Liebhaber wärmstens zu empfehlen. Die Co-Credits neben Cosmo / Goudreau gehen von 5 von 9 Fällen ebenfalls auf das Konto von Brad Delp.

Als Highlights sind der Opener ‚All Those Years‘, die Hitsingle ‚So You Ran‘ (damals ein Radiohit mitsamt Platzierung in den Billboard Top-100), das düstere ‚Dreamin‘ mit seinem tollen Mittelteil inkl. des Solos (der Song ist einfach zum Niederknien!) sowie das stimmungsvolle ‚Dark and Stormy‘ hervorzuheben. ‚Stand Up‘ mit seinem coolen Hook eröffnet die zweite Albumhälfte, bevor mit dem guten, aber etwas unspektakulären ‚Fast Talk‘ die zweite Album-Hälfte zu schwächeln beginnt. Mit dem auf einem einfachen Calypso-Hauptriff aufgebauten ‚Too Much In Love‘ folgt leider ein Albumtiefpunkt – hier können weder das gute Solo, noch die beiden geschmacksvollen Licks von Goudreau den Song retten. Mit den beiden letzten Songs ‚Joanne‘ (war die zweite Singleauskopplung) und ‚I Called It Love‘ kriegt man die Kurve wieder hin.

 

ORION THE HUNTER haben das Album als Vorband von AEROSMITH im Rahmen der Back In The Saddle-Tour live präsentiert. Anno 1984 war die Band um die Toxic Twins zwar bereits wieder im Original-Line Up. Die Probleme von AEROSMITH waren allerdings die gleichen wie Ende der 70er, einschließlich der Qualität der Liveauftritte. Der negative Eindruck beim Hauptact strahlte da natürlich auch auf die Vorband ab. Zudem waren weitere Gründe mit im Spiel, warum es zu keinem weiteren Album kam. Zum einen sah sich Fran Cosmo als einen BOSTON- (der er 9 Jahre später auch geworden ist) und nicht als einen ORION THE HUNTER-Sänger. Zum anderen wollten Goudreau und Delp gemeinsam und unter einem anderen Namen Musik machen und den Namen ORION THE HUNTER nicht fortführen, was man bis zum Tod von Delp auch getan hat. Aus der Kooperation Goudreau / Delp gingen mehrere Projekte hervor. Empfehlenswert ist vor allem das sehr gute Album RTZ – ‚Return To Zero‘ von 1991.

 

Zusammengefasst: Auch aus heutiger Perspektive stellt das gleichnamige Album von ORION THE HUNTER eine der besten AOR-Veröffentlichungen der 80er dar, die beim Songwriting (nahezu ausnahmslos), wie auch bei der Umsetzung und dem Sound überzeugt. Der Boston-Bezug und das tolle Albumcover tun ihr Übriges. Sollte man kennen!