63. TALISMAN – s/t

Leserwertung1 Bewertung
100
95
Platz
63
Punkte
820
Tracklist
1. Break Your Chains 3:31
2. Standin' on Fire 4:12
3. I'll Be Waiting 2:56
4. Dangerous 3:50
5. Just Between Us 3:46
6. System of Power 4:43
7. Queen 3:15
8. Lightning Strikes 3:16
9. Day By Day 4:09
10. Women, Whiskey and Songs 3:04
11. Great Sandwich 2:36
Line-Up
Marcel Jacob bass guitar, rhythm guitar, drums and keyboards
Jeff Scott Soto vocals
Christopher Stahl lead guitars
Unsere Wertung
95

Obwohl die Alben von TALISMAN nach Genesis wie auch das TALISMAN-Nachfolgerprojekt HUMAN CLAY mich nie wirklich angesprochen haben, schlecht waren sie alle nicht.

Mit den beiden ersten TALISMAN-Alben, vor allem beim Debüt, verhält es sich anders. Dieses ist und wird wohl mein Lieblings-TALISMAN-Album bleiben. Das überwiegend von Marcel Jacob in den Jahren 1988-1989 geschriebene Songmaterial stammt größtenteils noch aus den gemeinsamen Sessions mit John Norum und war ursprünglich als Basis für den Nachfolger für Norum’s Total Control angedacht.

Im Gegensatz zum sehr guten Nachfolger Genesis ist Talisman einerseits noch in den 80er verwurzelt und versprüht den typischen 80er Flair (zu dem im positiven Sinne auch die Keyboardsounds beitragen). Andererseits nimmt das TALISMAN-Debüt den Melodic Rock der 90er vorweg – aus diesem Grund klingt es wohl heute noch so frisch und unverbraucht.

Die in den Jahren 1988-1989 entstandenen Songs liefen einen mehrjährigen Reifeprozess durch, auch durch die Liveauftritte mit unterschiedlichen Line-Ups, unter anderem dem mit Jason Bieler (SAIGON KICK).

Was unbedingt erwähnt werden muss: Das Albumcover ist ein wenig irreführend. Das Material ist keine kleine Leuchte in der Dunkelheit, sondern ein riesengroßes Feuerwerk an Hits. Alleine die Meisterwerke ‚Break your chains‘, ‚I’ll be waiting‘ ‚Just between us‘ und ‚Day by Day‘ rechtfertigen den stolzen Platz 63 in der AOR-Bibel. Doch auch jenseits der 4 genannten Perlen wimmelt es von zeitlosen und packendenden Melodien, die sich sofort ins Gehör setzen. Beispielhaft seien dazu genannt: das mit der tollen Melodieführung glänzende ‚System of Power‘ sowie ‚Standing On Fire‘, das mit dem prägnanten Gitarrenriff eröffnet wird und mit einem tollen Basssolo aufwartet. Nicht zu vergessen ist das großartige Instrumental ‚Great Sandwich‘, das Erinnerungen an EUROPE zu den Wings Of Tomorrow-Zeiten (‚Aphasia‘) ruft.

Der Star auf dem Album aber ist Marcel Jacob. Auf Talisman glänzt er nicht nur als Hauptsongwriter, sondern auch als Musiker. Seine klassisch-orientierte (Bass-) Schule ist deutlich herauszuhören. Seine vielen virtuosen Läufe und Basssounds sind unverkennbar und einzigartig. Spieltechnisch bewegt Marcel Jacob sich in den gleichen Dimensionen wie sein musikalisches Vorbild Billy Sheehan (unter anderem: TALAS, DLR, MR. BIG). Trotz der unterschiedlichen Spieltechnik (Sheehan: mit Fingern, Jacob: mit Plektrum), ist die Ähnlichkeit des Klanges/ Sounds verblüffend.

Kompositorisch trifft bei Talisman Eingängigkeit gepaart mit Anspruch. Trotz des üblicherweise verwendeten 4/4-Takts, verlässt man das 3-Klangschema bzw. erweitert dieses stets um interessante Voicierungen. Das baut die Spannung auf und macht die Songs auch 32 Jahre nach ihrer Veröffentlichung nicht langweilig.

Über die Qualität des Songwriting-Inputs von Jeff Scott Soto – vor allem vor dem Hintergrund der Vielzahl seiner Projekte kann man zu Recht zweigeteilter Meinung sein. Auf Talisman hält sich sein Input als Co-Songwriter noch in Grenzen. Dafür liefert er eine phänomenale Leistung als Vokalist ab – nie davor und nie danach klang er besser und einfach beseelter.

Das Album ist beinahe makellos. Lediglich der klinische Drumsound, der Assoziationen mit einer Drummachine hervorruft, die aus der heutigen Sicht wenig gut gealterte Albumproduktion sowie das Album Lowlight – der unspektakuläre Rocker ‚Women, Whiskey & Songs‘ stehen der Höchstpunktzahl im Wege.

Als CD-Version ist unbedingt die Auflage von 2003 von GMR (Deluxe Edition) zu empfehlen. Vor allem die CD 2 ist von besonderem Interesse, da diese die äußerst hörenswerten Demoversionen des TALISMAN-Debüts in einer hervorragenden Klangqualität beinhaltet. Diese stammen noch aus den Sessions mit Göran Edman (unter anderem: ebenfalls John Norum – Total Control, sowie: MADISON, STREET TALK, Yngwie Malmsteen) und haben einen anderen, skandinavisch-geprägten Hauch gegenüber den bekannten Versionen mit Jeff Scott Soto. Dank dieser Auflage hat man somit das Album in 2 Versionen, die einander optimal ergänzen. Die Deluxe Edition von 2003 ist derzeit in der Preisspanne um 15-20 EUR zu bekommen.