75. DANGER DANGER – Revolve

DANGER DANGER und ich hatten jahrelang so ihre liebe Mühe miteinander. Sowohl mit dem in den USA und Asien überaus erfolgreichen, selbstbetitelten Debüt von 1989, als auch mit dem Nachfolger Screw it (1991) hatte und habe ich nach wie vor meine Schwierigkeiten.

Besonders die damaligen Singlehits ‚Naughty Naughty‘ oder auch ‚Bang Bang‘ klangen mir einfach zu süßlich, zu glatt produziert – schlicht zu belanglos und brav (tztz, das kann man auch anders sehen, nämlich dass sowohl das Debüt als auch das noch bessere Screw It zwei der besten melodischen Hardrock-Scheiben überhaupt sind – Rainer). Sicher waren hier exzellente Musiker am Werk: vor allen Dingen Gitarrist Andy Timmons wurden auch außerhalb der Szene herausragende Fähigkeiten attestiert. Dennoch wusste mich das dargebotene Material, abgesehen von einzelnen Songs wie dem superben ‚Under the Gun‘ vom Erstling, zu keiner Zeit mitzureißen.

Dies änderte sich erst 1993 mit der überraschenden Entlassung von Sänger Ted Poley, der zuvor noch das fertiggestellte Cockroach eingesungen hatte, welches aber wegen rechtlicher Schwierigkeiten mit dem Label erstmal unveröffentlicht blieb und im Jahre 2001 sowohl mit dem Gesang Poleys als auch mit dem von Neuzugang Paul Laine als Doppel-CD doch noch erschien. Eine Fußnote, die musikhistorisch meines Wissens nach bislang einmalig geblieben ist.

Mit dem Engagement von Laine und dem bereits zuvor ausgestiegenen Gitarrenwunderkind Timmons änderte sich auch die musikalische Marschrichtung der Band. Auf Dawn (1995) zeigte man sich deutlich gereifter und düsterer – nicht zuletzt auch beeinflusst durch den damaligen Grunge Boom – nur um mit dem saustarken Four the Hard Way (1998) wieder zu seinen musikalischen Wurzeln, die nun mal seit jeher im Melodic Rock angesiedelt waren und die man fortan auch nicht mehr verlassen sollte, zurückzukehren.

Nach einer weiteren gutklassigen Scheibe (The Return of the Great Gildersleeves von 2000) verkündete man 2004 dann erneut überraschend die Rückkehr von Ted Poley ans Mikro, was 2009 dann zur Veröffentlichung von Revolve führte. Schon die Eröffnungsnummer ‚That`s What I`m Talking About‘ lässt keine Zweifel darüber aufkommen, dass die Band nochmals in Sachen Songwriting an sich gearbeitet hatte und es mittlerweile meisterhaft verstand, ohne Umschweife und überflüssiges Brimborium, auf den Punkt genau zu komponieren. Nichts war mehr übrig von den schwammigen Bubblegum-Nummern der Anfangsjahre (what??? – Rainer), hier hatte man es mit handwerklich gereiften Musikern zu tun die scheinbar mühelos in der Lage waren, nachhaltige und begeisternde Klänge zu produzieren.

Das mit schönen Def Leppard-Chören veredelte ‚F.U.$‘ hätte den Engländern auch zu Hysteria Zeiten durchaus zur Ehre gereicht, die Ballade ‚Fugitive‘ erinnert angenehm an eine modifizierte Version des eigenen Bandhits ‚I Still Think About You‘, während das locker vor sich hin rockende ‚Beautiful Regret‘ geradezu dazu einlädt, das nicht vorhandene Cabrio aus der Garage zu holen. Alles begleitet von den luftigen Riffs und melodischen Soli von Gitarrist Rob Marcello, der nie mehr so effektiv und virtuos geklungen hat wie auf Revolve, sowie gekrönt von der gereiften Stimme Poleys: seit jeher ein Qualitätsmerkmal der US-Amerikaner, der punktgenau ein dermaßen positives Lebensgefühl vermittelt, dass einem vor lauter Grinsen fast das Gesicht einzufrieren scheint.

Als Paradebeispiel hierfür sei der absolute Albumhöhepunkt ‚Ghost of Love‘ angeführt. Der reinrassige AOR-Gassenhauer ist mit einem unwiderstehlichen Refrain ausgestattet und kann mit wunderschönen Gesangslinien und einem melodischen Gitarrenpart par excellence aufwarten. Wenn jemand einen Song sucht, um Außenstehenden die Faszination dieser Musikrichtung nahezubringen, bitte schön – hier ist er.

Ich könnte mich hier seitenweise in Lobhudeleien verlieren, es ändert nichts an der Tatsache, dass Revolve für mich einer DER positivsten Überraschungen meines jahrzehntelangen Daseins als Musikhörer darstellt. Eines der besten Genrealben der 2000er ist es sowieso.