76. DAKOTA – Runaway

93
Platz
76
Punkte
716
Erscheinungsjahr
1984
Tracklist
1. Runaway 5:03
2. Tonight Could Last Forever 4:41
3. Heroes 4:13
4. When the Rebel Comes Home 4:17
5. Love Won't Last 4:11
6. Into the Night 4:52
7. Angry Men 4:37
8. If Only I'd Know It 4:27
9. Over and Over 4:29
Line-Up
Jerry Hludzik vocals, guitars
Bill Kelly vocals, guitars
Rick Manwiller piano, keyboards
Neil Stubenhaus bass
Bill McHale bass
Danny Seraphine drums
Unsere Wertung
93

Bereits mit dem gleichnamigen Erstling (der zurecht in der AOR-Bible an einer anderen Stelle gewürdigt wird), legte die Band um die beiden Masterminds und ehemaligen THE BUYOS-Mitglieder Jerry Hludzik / Bill Kelly einen starken Start hin. Die kräftezehrenden Tourneen (unter anderem als Vorband von QUEEN zur The Game -Tour) und die musikalischen Differenzen haben jedoch dazu geführt, dass die Ursprungsbesetzung anno 1984 bis auf die beiden Protagonisten Hludzik / Kelly samt der Drumkoryphäe und Mentor Danny Seraphine (hauptamtlich bei CHICAGO, bei DAKOTA: Drums und Produktion) auseinanderbrach.

Begleitet durch die widrigen Umstände, hat man sich als Songwriter und Musiker weiter entwickeln können und mit Runaway ein Album veröffentlicht, das zu den ganz großen AOR-Sternstunden gehört. In meiner persönlichen Top 50 der AOR-Songs ist Runaway mit zumindest 3 Songs vertreten.

Was Runaway kennzeichnet, ist stellenweise der damals zeitgemäße, aus der heutigen Perspektive dennoch teilweise etwas klinisch angehauchte Drumsound. Dieser ist sicherlich Geschmackssache. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass man beispielsweise beim meist dynamischen Schlagzeugspiel schon etliche interessante und durchdachte Fills heraushören kann. So wie beim pulsierenden, gleichnamigen Opener – einem der ganz, ganz großen AOR-Klassiker. Und das nicht nur beim Schlagzeugspiel: Die vermutliche Simplizität beim Titelsong täuscht – der treibende Aufbau in A-Dur, die polyrhythmischen Strukturen, die die Spannung erzeugen, sowie die interessante und ideenreiche Kombination von Slides, Vibratos und Pull-Offs beim Gitarrensolo sind in ihrer Kombination große Kunst.

‚Tonight Could Last Forever‘ ist ein weiterer großartiger Song mit West Coast-Appeal á la FLEETWOOD MAC, der vom Rhythmus (Keyboard und Akustikgitarre) und den tollen Hooks lebt. ‚Heroes‘ erinnert an TOTO und hätte auch auf ‚IV‘ eine gute Figur abgegeben. Die beiden darauffolgenden Songs, das etwas repetitive ‚Love Won’t Last‘ sowie ‚When The Rebel Comes Home‘ (zugegeben: starker Refrain) gelten als DAKOTA-Klassiker, fallen aber leider schon deutlich ab. Mit dem Doppelschlag ‚Into The Night‘ / ‚Angry Men‘ wird man für die beiden Durchhänger aber mehr als entschädigt. Obwohl ich ‚Angry Men‘ unzählige Male gehört habe, kriege ich immer noch Gänsehaut: ob es das dramatische Intro auf dem Akustik-Piano ist, die Backing-Vocals oder die an sich kurzen simpelsten, pentatonik-basierten und dennoch höchst effektiven Gitarren- und Keyboardlicks sind, die den Song kommentieren. Hört man genau hin, hört man lustigerweise beim Song die ‚Sultans Of Swings‘ von DIRE STRAITS schon als eine gewisse Inspirationsquelle heraus, was sicher keine schlechte Referenz ist.

Die beiden übrigen Songs – ‚If Only I’d Known It‘ (bei dem in der 2. Songhälfte das Tempo angezogen wird) und ‚Over And Over‘, das von einem Saxofon-Solo eröffnet und einer funkigen Gitarre angetrieben wird – stellen allemal einen gelungenen Albumabschluss dar.

Trotz der beiden großartigen Alben im Gepäck hielt die Zusammenarbeit der Protagonisten nur wenige Jahre – im Jahr 1987 war DAKOTA leider Geschichte. Billy Kelly ging seinen eigenen, übrigens erfolgreichen Weg in Nashville. Jerry Hludzik verfolgte dagegen den mit DAKOTA eingeschlagenen musikalischen Weg weiter, auch unter dem gleichen Bandnamen. Aus der Phase ist vor allem das etwas laid-back-orientierte, aber trotzdem gute The Last Standing Man (Anspieltipp: das famose ‚Hot Nights‘) empfehlenswert.

Im Jahr 2015 kam es erstmals seit 1987 zur Zusammenarbeit zwischen Jerry Hludzik / Bill Kelly / Danny Seraphine.  Das Comebackalbum (inklusive Neueinspielung der alten Songs) Long Road Home geht bei mir als ein gutes, zeitgemäßes DAKOTA-Album durch. Die Zusammenarbeit mit dem Label Frontiers und die Mitwirkung von Alessandro Del Vecchio / Tommy Denander / Frederic Slama mag auf den auf dem Reißbrett konzipierten AOR hindeuten. Bei Long Road Home trifft dies glücklicherweise nicht zu.

Fazit: Mit dem gleichnamigen Debüt und vor allem mit Runaway haben DAKOTA absolute Sternstunden des AOR veröffentlicht, die zu Recht in den Szenekreisen einen Kultstatus haben. Ein Reinhören in die DAKOTA-Spätwerke ist ebenfalls lohnenswert.