Album Review: STREETLIGHT – Night Vision

Label
Frontiers
Erscheinungsdatum
14.03.2025
Tracklist
1. Long Distance Runner
2. Captured In The Night
3. Sleep Walk
4. Learn To Love Again
5. Late Night Hollywood
6. Leanna
7. Straight To Video
8. Fly With Eagles
9. Where Did Love Go
10. End Game
Line-Up
Johannes Häger – Lead & Backing Vocals, Guitars
Filip Stenlund – Guitars, Backing Vocals
John Svensson – Keyboards, Backing Vocals
Erik Nilsson – Drums, Backing Vocals, Saxophone
Johan Tjernström – Bass, Backing Vocals
Unsere Wertung
90
90

STREETLIGHT sind für mich seit ihrem 2023 erschienenen Debutalbum Ignition nicht weniger als die größte Entdeckung der laufenden Dekade. Zum einen, weil dieses enorm abwechslungsreiche Album gespickt ist mit Songperlen wie `Hit The Ground´, `Caught Up In A Dream´ oder der wunderschönen Ballade `Closer´ und mit `Chutes And Ladders´ zudem einen Riesenhit enthält, der mich durch Arrangement-Finesse und Gänsehaut-Melodien dermaßen in seinen Bann gezogen hat, dass ich ihn inzwischen in meine persönlichen TOP 5 der besten AOR-Songs aller Zeiten platziert habe.

Zum anderen, weil ich es sehr sympathisch finde, dass sich die Band nicht die Bohne darum schert, durch irgendwelche breitbeinig-hardrockigen Attitüden, Klamotten oder Frisuren zusätzliche Aufmerksamkeit zu erhaschen. Das mag für andere Bands mit rotzigerer Gangart passend sein und dazugehören, wäre bei den fünf kurzhaarigen Schweden, die ihre Songs auch live im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Stand und beinahe schüchtern auf ihr Publikum abfeuern, aber fehl am Platz: jeglicher von den grandiosen Songs ablenkender Firlefanz wäre nur unnötiger Ballast. Ich durfte STREETLIGHT auf dem ersten Malmö-Melodic-Festival erleben und war restlos begeistert.

Und weil diese tolle Band auf nichts als auf ihre aus einer Mischung aus JOURNEY, TOTO und 80er-KANSAS bestehenden Musik setzt, wirkt sie so unglaublich frisch, ehrlich und glaubwürdig, weshalb ich äußerst gespannt auf das Mitte März erschienene zweite Album Night Vison war. Der Zweitling hat nämlich schon für viele Bands einen Rückschritt bedeutet, weil naturgemäß weniger Zeit für´s Songwriting bleibt, der Druck nach einem erfolgreichen Einstand insgesamt deutlich größer wird und die unbekümmerte Unschuld eines Debutalbums dadurch schon mal flöten gehen kann. Bands wie BON JOVI, BOSTON oder FOREIGNER können ein Lied davon zwitschern.

Mit dem Einstieg `Lond Distance Runner´ bedienen STREETLIGHT dann auch gleich meine hohen Erwartungen: der Song beginnt mit einer überwiegend in Moll gehaltenen Strophe und lässt im Refrain ordentlich die Sonne aufgehen, dass einem warm ums Herz wird. Dazu wieder ein schönes Break mit der zelebrierten Kunst des Weglassens (hört halt rein, wenn ihr wissen wollt, was ich meine) und wunderschönen Chören. Ein toller Einstieg! `Captured In The Night´ beginn mit leicht an `Separate Ways´ erinnernden Keyboards. Die Gitarren sind leicht abgehackt, aber dafür sorgt ein straightes Drumming dafür, dass der Song trotzdem seinen Fluss nicht verliert.

`Sleepwalk´ ist dann wieder ein besonderes Beispiel der hohen Kunst des Songwritings und Arrangierens, denn allein in diesem nur 3:50 langen Knaller stecken so viele Ideen, die woanders für ein ganzes Album herhalten müssen, und trotzdem wirkt er nirgendwo überladen, sondern ist von Anfang bis Ende (das übrigens mit einem schönen Acapella – Refrain genüsslich ausgekostet wird) stimmig – fantastisch!

`Learn To Love Again´ ist eine hymnenhafte Power – Ballade, die unter die Haut geht und in der besonders Gitarrist Filip Stenlund durch ein grandioses Solo glänzt. `Late Night Hollywood´ beginnt mit perlenden Keyboards und entpuppt sich im weiteren Verlauf als Mischung aus AUTOGRAPH (ein leicht an `Turn Up The Radio´ erinnernder Refrain) und einem Schuss DEF LEPPARD. `Leanna´ ist – wie so oft bei mit Mädchennamen betitelten Songs – eher balladesk gehalten und klingt etwas nach frühen TOTO, fällt für meinen Geschmack aber etwas ab. `Straight To Video´ rockt dann wieder deutlich flotter drauflos und enthält ein paar schöne Gitarrenlicks. Gut!

`Fly With Eagles´ ist eine melancholische Halbballade, in der Johannes Häger zeigt, was für ein superber und wandelbarer Sänger er ist. Von der Halb- zur waschechten Herzschmerz – Ballade: für einen Schmachtfetzen wie `Where Did Love Go´ muss man schon ein Faible für grandiosen Kitsch haben. Meinereiner hat ihn, und das von einem Tonartwechsel eingeleitete Gitarrensolo quetscht mir doch glatt etwas Augensaft aus den Glotzdrüsen – zum Heulen schön! Mit dem Rausschmeißer `End Game´ bieten STREETLIGHT zum Abschluss – wie auch schon auf dem Debutalbum – wieder ein überlanges Stück mit proggiger Grundnote. Auch das muss man mögen, was mir in diesem Fall allerdings weniger gelingt – zu sperrig und verkopft erscheint mir diese Nummer, die dadurch auch etwas wie ein Fremdkörper auf dem Album wirkt.

Dies trübt meine Begeisterung für Night Vision jedoch kaum ein, denn unterm Strich haben STREETLIGHT wieder ein Album geschaffen, dass für mich zur Speerspitze zeitgenössischen AOR´s und Melodic Rocks gehört und alle bandtypischen Trademarks enthält, die schon beim Debutalbum begeistern konnten. Mich hat diese tolle Band komplett gefangen genommen, was sich in einer Bewertung von satten 90% und der freudigen Erwartung weiterer künftiger Großtaten ausdrückt. Klasse!