WILDNESS – Avenger

Label
Frontiers
Erscheinungsdatum
24.01.2025
Tracklist
1. Wings Of Fire
2. Cruzified
3. Broken Heart
4. Caught Up In A Moment
5. Wasted Time
6. Avenger
7. Poison Ivy
8. I´ll Be Over You
9. Stand Your Ground
10. Eye Of The Storm
11. Walk Through The Fire
Line-Up
Erik Forsberg – Vocals
Marcus Sjösund – Bass
Adam Holmström – Guitars
Pontus Sköld – Guitars
Erik Modin - Drums
Unsere Wertung
83
Leserwertung0 Bewertungen
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83

WILDNESS konnten mit ihren bisherigen drei Alben ordentlich Staub in der Szene aufwirbeln, denn die junge Band aus – na klar – Schweden lieferte bisher stets eine gekonnte Mischung aus AOR mit einem fetten Schuss Hairmetal. Mir persönlich gefällt besonders ihr Mut zur Sparsamkeit bei den Arrangements, denn mit Keyboards und Effekten überladene Alben gab es zuletzt haufenweise, und es tut gut, auch mal wieder einen Arschtritt in Form einer tonalen Frischzellenkur verpasst zu bekommen, die aufs Wesentliche reduziert ist und allzu viel technisierten Soundballast einfach mal weglässt. Ein fettes Kompliment somit an Drummer Erik Modin, der nicht nur für die meisten Songs, sondern auch für die Produktion bei WILDNESS verantwortlich ist. Wenn dabei dann auch noch ein Riesenhit wie `Borderline´ vom zweiten Album Ultimate Demise dabei rausspringt, hat man vieles richtiggemacht. Somit ist es nur allzu verständlich, dass die Band derzeit in fast aller Munde ist und die Erwartungen an ein neues Album entsprechend hoch sind. Meine auch.

Covertechnisch ist auch beim neuen Album alles beim Alten geblieben: die Qualität des Artworks bleibt mal wieder meilenweit hinter der des akustischen Inhaltes zurück. Eine bereits vom zweiten Album bekannte Nightrider-Gedächtniskarre vor einem in Hornhautumbra getauchten Hintergrund, der irgendwo zwischen Wüstenstaub und Kreativitätsblockade schwankt, ist nicht gerade ein zusätzlicher Kaufanreiz. Das WILDNESS-Label Frontiers sollte ruhig mal etwas tiefer in die Tasche greifen und mehr dafür springen lassen als das Skonto für die letzte Kantinenwurst-Rechnung. Letztendlich ist dies aber nur eine Randnotiz: hier geht es in erster Linie um die Songs.

Der Reigen beginnt mit dem ebenso kurzen wie knackigen Opener `Wings Of Fire´, der gleich einmal zeigt, wo der Hammer hängt und direkt und ohne Vorwarnung (hier das Synonym für Intro) fette Gitarrensalven abfeuert. Die Keyboards bleiben im Hinter- und die Klampfen im Vordergrund, was den Gang dann auch gleich etwas breitbeiniger macht. Yiehaaa! `Cruzified´ ist bereits als Album-Appetizer bekannt und schlägt härtetechnisch in eine ähnliche Kerbe. Oh-ho-ho-Gangshouts sind zwar alles andere als ein WILDNESS-Alleinstellungsmerkmal, aber zum einen steht es ihnen und zum anderen mag ich das. Mit `Broken Heart´ macht man dann einen leichten Schwenk Richtung AOR, und der Refrain ist ein schöner Ohrschmeichler, der haften bleibt. `Caught Up In A Moment´ setzt die eingeschlagene Richtung fort und zum ersten Mal sind massive Keyboards zu vernehmen. Hier ist erstmals auch Sänger Erik Forsberg etwas mehr im Vordergrund zu hören und zeigt, dass er durchaus mit Feeling trällern kann, wenn es darauf ankommt.

`Wasted Time´ hätte perfekt auf FREE SPIRITS letztes Album gepasst und wer sich vielleicht an meine 98%-Bewertung für diesen fast perfekten AOR-Klassiker erinnert, wird wissen, dass dies als großes Kompliment zu verstehen ist. `Avenger´ ist dann mal ein richtiges Saxon-goes-Uptempo-Brett, somit beinahe schon Heavy Metal und eine in der Albummitte perfekt platzierte Überraschung, die sich gewaschen hat. `Poison Ivy´ beginnt mit cleanen Gitarren und entpuppt sich als weiterer Rocker mit AOR-Schlagseite und einigen schönen Breaks. Die Power-Ballade `I‘ll Be Over You´ lässt nicht nur erstmals Verschnaufen, sondern mich leider auch erstmals relativ kalt. `Stand Your Ground´ ist dann wieder ein Uptempo-Kracher, der leider daran krankt, dass Erik Forsberg während der Strophen mit etwas reichlich rauer Stimme zu singen versucht. Ich mag ja den Mut zum Verlassen der Komfortzone, aber beim Gesang ging dieser Versuch bereits bei zahlreichen anderen Interpreten ins Beinkleid. `Eye Of The Storm´ bietet dann wieder vertraute, allerdings auch eher unauffällige AOR-Kost, bevor das Album mit dem weiteren Uptempo-Knaller `Walk Through The Fire´, bei dem die für so einen hochmelodischen Kracher deutlich präsenten Keyboards überraschen, geschlossen wird.

WILDNESS haben somit wieder vieles richtig gemacht und mit Avenger ein abwechslungsreiches Album geschaffen, das sich nahtlos in die bisherige Diskographie einreiht und mir persönlich sogar noch etwas besser gefällt als der Vorgänger Resurrection. Die gute Bewertung von 83% verzeiht kleine Durchhänger in der zweiten Albumhälfte – und sollte einmal auf volle Albumlänge ein Niveau wie bei meinen Albumhighlights `Wasted Time´, der Titelsong und `Caught Up In A Moment´ erreicht werden, besteht durchaus Klassiker-Alarm. Die Fähigkeiten dazu haben WILDNESS, und ich kann nur jedem Anhänger melodischen Rocks empfehlen, diese junge Band im Ohr zu behalten.