Interview mit Erik Martensson (ECLIPSE)

Nachdem das aktuelle ECLIPSE-Album Wired bereits im Rahmen unseres Reviews mit einer Bewertung von satten 88% punkten konnte, hatten wir die Gelegenheit Frontmann, Gitarrist und Produzent Erik Martensson mal etwas näher zum neuen Werk, seinen zahlreichen Nebenprojekten und der Melodic Rock-Szene im Allgemeinen zu befragen.

 

Erik, erstmal Glückwunsch zu einem weiteren, bärenstarken Album. Wie sind die ersten Reaktionen auf den neuen Longplayer ausgefallen?

»Ja, die Reviews sind fantastisch. Ich habe bisher keine einzige negative Besprechung
gelesen, was ein sehr gutes Zeichen ist.«

 

Mein erster Eindruck war, dass ihr im Vergleich zum Vorgänger Paradigm den Songs etwas mehr Energie und Heavyness verpasst habt. Sicher sind die bandtypsichen Melodien immer noch zuhauf vorhanden, aber ihr habt dem ganzen etwas mehr Biss verliehen. Bestes Beispiel hierfür stellt das krachende ‚Bite the Bullet‘ dar.

»Es war eine Menge Energie während des Aufnahmeprozesses spürbar und jeder konnte sich einbringen. Unser „neuer“ Bassist Victor (Crusner) war beispielsweise in Sachen Songwriting an drei Songs beteiligt, was die Band noch näher zusammengebracht hat. All das hat sich natürlich auch auf die Ausrichtung ausgewirkt, ich denke die Songs sind näher an unserem Livesound denn je.«

 

Aus Deiner Sicht gesehen, was macht Wired so besonders?

»Der ganze Vibe in der Band ist zurzeit unfassbar gut, was eine Menge positiver Energie freisetzt. Es macht einfach Spaß mit den Jungs zusammen abzuhängen, was es ungemein erleichtert zu einem herausragenden Ergebnis zu kommen. Das ist eine große Veränderung im Vergleich zu früher. Seit dem Line-Up-Wechsel (er meint den Einstieg von Victor Crusner) fühlt sich aber alles wieder sehr energetisch an, was man so auch dem neuen Album anhört.«

 

Songs wie ‚Run For Cover‘ oder ‚Things We Love‘ erinnern mich mit ihren irischen Folk-Einflüssen immer wieder an Gary Moore während seiner Wild Frontier-Phase. Dieser Einfluss zieht sich seit Bleed And Scream konstant durch Eure Discographie. Ihr scheint ein Faible für solche Gitarrenlinien zu haben.

»Grundsätzlich mag ich generell sehr gerne Folkmusik und höre diese auch schon seit Ewigkeiten. Hier in Schweden ist diese Art von Musik sehr angesagt und ähnelt klanglich auch sehr stark den englischen bzw. irischen Ausläufern dieser Richtung. Deshalb ist es für mich irgendwie selbstverständlich diese Einflüsse in meine eigene Musik zu integrieren, weil es sich einfach natürlich für mich anfühlt. Für mich bleiben es aber schwedische Einflüsse, andere mögen da eher etwas irisches raushören.«

 

Für mich klingt es tatsächlich irisch. Ich höre hier auch deutlich Dare oder ähnlich geartete Bands heraus.

»Absolut, das sind die absoluten Überväter dieser Richtung. Neben Gary Moore natürlich auch noch THIN LIZZY.«

 

Hast Du sie jemals live gesehen?

»Ich habe Gary Moore live erlebt, allerdings nur während seiner Bluesphase.«

 

…die ich absolut grausam finde.

»THIN LIZZY habe ich leider nur in der John Sykes Version erleben dürfen. Aber das war einfach nur cool. Ich hatte vor Ewigkeiten mal zusammen mit Mic Michaeli, John Leven und Ian Haugland eine EUROPE-Coverband, mit der wir im Rahmen einer der ‘Rock Cruises’ Touren mit ihnen zusammenspielen durften. John Sykes hat uns als Gast für einige Songs begleitet. Ein tolles Erlebnis.«

 

EUROPE sind sowieso eine unfassbar starke Band. Seit ihrer Reunion haben sie ausschließlich Hammeralben veröffentlicht.

»Da stimme ich Dir zu. Gerade der Titeltrack vom letzten Album ‘Walk The Earth’ gehört zu ihren besten Songs überhaupt.«

 

Zurück zu Wired. Warum habt ihr mit ‘Dead Inside’ einen der besten Songs den ihr je geschrieben habt als CD Bonus/Digital Bonustrack ‘verschwendet’?

»(Lacht). Puh, schwer zu sagen. Vielleicht hat es mich zu sehr an etwas erinnert was ich bereits geschrieben habe, vielleicht ist er aber auch zu weit an unsere frühen Sachen angelehnt. Eigentlich wollte ich ‘Ain`t No Fun’- den Bonustrack der Vinyl Version – als letzten Song der CD-Version.«

 

Was ist überhaupt die Idee hinter der verschiedenen Running Order der CD und der Vinyl-Version? War das eine Idee des Labels?

 »Es war ein Kompromiss. ‘Dead Inside’ wurde für die CD verwendet, ‘Ain`t No Fun’ als Bonus des Vinyls, da ich nicht bereit war einen der Songs zurückzuziehen. Was die grundsätzlich verschiedenen Running Order angeht, so hat uns WHITESNAKE‘s 1987 inspiriert, die es auch mit einer unterschiedlichen Songanordnung gibt. Meine Version hat immer mit ‘Crying In The Rain’ angefangen’ für andere war ‘Still Of The Night’ der Opener. Außerdem hatten Coverdale und Co auch immer Extraversionen auf CD. Von AC/DC existieren zudem ebenfalls zwei Versionen von Powerage, eine mit und eine ohne ‘Cold Hearted Man’. Wir dachten das wäre eine gute Idee einfach mal was anderes als erwartet tun. Warum also nicht? Was mir auch noch aufgefallen ist: Besonders wenn die Leute streamen lässt die Aufmerksamkeit ziemlich schnell nach«

 

Mit Streaming kann ich gar nichts anfangen, meines Wissens nach verdient man da als Band auch kaum was. Wie siehst Du das als Künstler?

»Dass Du gar nichts verdienst ist einfach nicht richtig. Wenn Du das mit dem Verkauf von physischen Tonträgern vergleichst, so verdienst Du bei Letzteren innerhalb des ersten Monats nach Veröffentlichung alles, da später die Verkäufe rapide abnehmen, nur noch vereinzelt CDs über den Tresen gehen und du als Band auch nur einmal ausbezahlt wirst. Du verdienst zwar an den einzelnen Streamingaufrufen weitaus weniger, aber dafür konstant und über einen langen Zeitraum. Wenn Du einen Song wie ‘Viva La Victoria’, der kürzlich die Marke von 15 Millionen Aufrufen geknackt hat als Beispiel heranziehst, verdienst Du auf lange Sicht gar besser als am Verkauf rein physischer Tonträger. Trotz allem ist es letztendlich aber immer noch viel zu wenig was am Ende beim Künstler ankommt, das stimmt schon

 

Wie kommt man in der heutigen Zeit auf die Idee Wired auch als Tape zu veröffentlichen?

»Das war eine Idee des Labels, welche wir sofort angenommen haben. Das ist im Übrigen die erste Scheibe, die Frontiers Records je auf Tape veröffentlicht haben.«

 

Ehrlich gesagt habe ich gar kein Tapedeck mehr.

»Dafür habe ich zwei (lacht). Glaub mir, dass Ding schaut super aus und klingt hervorragend.«

Erik Matrensson

 

Apropos Klang: All Deine Produktionen, auch außerhalb von ECLIPSE, haben einen herausragenden Sound. Nutzt Du Presets im Studio, oder wird der Klang individuell auf jede Produktion eingestellt?

»Nein, bei jeder Produktion fange ich praktisch bei Null an. Da gibts keine Voreinstellungen.«

 

Nachdem Paradigm schon solch ein großer Erfolg war, was sind Deine Erwartungen an Wired?

»Wir wollen einfach so weitermachen und hoffen das uns so viele Leute wie möglich auf unserem Weg begleiten. Größere Hallen bespielen, mehr Zuschauer erreichen. Aber das Wichtigste ist, dass die Menschen das Album mögen. Nur wenige Musiker haben das Privileg, dass so viele Menschen eine solch hohe Meinung von einem haben, dass sehen wir als Geschenk und macht uns einfach glücklich.«

 

Wie kann man sich den Songwritingprozess in Corona-Zeiten vorstellen?

»Wir haben uns immer persönlich getroffen. So gut auch die modernen Kommunikationsmittel sein mögen, es geht nichts über den direkten Austausch. Mit jemanden via Skype zu Essen ist auch nicht das Gleiche wie demjenigen gegenüber zu sitzen (lacht)«

 

Ihr habt letzte Jahr ein Streaming-Konzert gegeben. Wie war das nur vor Kameras zu performen?

»Sehr seltsam. Es war OK, haben aber anschließend gemeinsam entschlossen das es bei einem bleibt.«

 

Auf Eurem Livealbum Viva La Victouria habt ihr einige Songs akustisch performt. Habt Ihr jemals über eine reine Akustiktour nachgedacht?

»Magnus (Hendrikkson/Gitarre) und ich haben bereits einige rein akustische Gigs gespielt, einige Songs sind prädestiniert dafür. Wenn wir Slayer wären, sähe das sicher anders aus (lacht)«

 

Wir schaut es mit generell mit einer Tour aus?

»Das kann Dir seriös derzeit wohl niemand beantworten. Wir spielen zwar hier und da vereinzelte Gigs/Festivals, eine richtige Tour wird aber meiner Einschätzung nach erst um den April/Mai nächsten Jahres möglich sein.«

 

Eure früheren Sachen wie Are You Ready To Rock oder Bleed And Scream sind inzwischen sehr schwer zu finden. Sind hier in Zukunft vielleicht Wiederveröffentlichungen geplant?

»Zumindest für Bleed and Scream haben wir eine Vinyl-Version ins Auge gefasst, da die Scheibe nie in diesem Format erschienen ist.«

 

Für diese Scheiben bezahlst Du heutzutage an die 50€ im CD-Format.

Tatsächlich? Da werde ich mit Frontiers drüber reden.

 

Wo siehts Du die AOR/Melodic Rock Szene derzeit?

Aus meiner Sicht ist sie in großartiger Verfassung, in der besten seit Jahren. Es gibt so viele neue Bands da draußen, sicherlich nicht alle gut, aber schon einige mit hervorragenden Ansätzen. Als wir ECLIPSE vor 20 Jahren gründeten, wurden wir aufgrund unserer musikalischen Ausrichtung als Idioten tituliert und verlacht. Es war geradezu unmöglich einen Gig an Land zu ziehen und für uns hat sich kein Mensch interessiert. 2015 hatten wir erstmals die Möglichkeit auf Tour zu gehen – das muss man sich mal vorstellen. Gott sei Dank hat sich das heutzutage grundlegend geändert.

 

Angesichts von Ronnie Atkins‘ Gesundheitszustand, wird es ein drittes NORDIC UNION Album geben?

»Ja, wir sprechen gerade drüber und versuchen es möglich zu machen«

 

Existieren AMMUNITION noch?

»Ja, wir haben uns nie aufgelöst, setzen aber unserer Prioritäten derzeit anders. Åge Sten Nilsen (Sänger) ist derzeit mit der Reunion von WIG WAM beschäftigt und ich habe alle Hände voll mit ECLIPSE zu tun. Sagen wir mal so: Das Projekt ist derzeit auf Eis gelegt.«

 

Wie entscheidest Du welcher Deiner Songs für welche Bands bzw. für welches Projekt verwendet wird?

»Normalerweise setze ich mich hin und nehme mir vor, ausschließlich Songs für das jeweilig anstehende Projekt zu komponieren. Wenn ich beispielsweise Lieder für NORDIC UNION verfasse, kann es natürlich vorkommen, dass ich feststelle, dass der Track besser zu ECLIPSE passt. Dann nehme ich den natürlich für ECLIPSE. Aber grundsätzlich stelle ich mich auf die Aufgabe ein und komponiere auch nur für diese.«

 

Welchen Song von ECLIPSE würdest Du gerne als Cover hören und von welcher Band?

»Oh, gute Frage. Da habe ich mir tatsächlich bisher noch nie Gedanken drüber gemacht, interessant (lange Pause).‘Viva La Victoria’ wäre ein Kandidat. (erneute Pause). EUROPE wären prädestiniert dafür. Ich habe in meinem Leben so viele EUROPE-Cover gespielt, da wäre es an der Zeit, dass die das auch mal für mich machen (lacht).«

 

Was ist Dein Lieblingsalbum von Europe?

»Ich bin nicht sicher, würde aber sagen Prisoners in Paradise. Bei Erscheinen als kommerzieller Flop gebrandmarkt, heutzutage würde jede Band für diese Verkaufszahlen morden. Leider zum falschen Zeitpunkt erschienen.«

 

Was für aktuelle Bands magst Du und welche Scheiben hörst Du derzeit?

»Ich habe mir kürzlich jede Menge SLAYER-Scheiben auf Vinyl zugelegt und PARADISE LOSTs Medusa. Großartige Mischung aus Growls und klarem Gesang. Die Band verfolge ich seit meinen Teenagerzeiten. Sehr schwer und doomig. Die neue Scheibe von THE KILLERS ist ebenfalls großartig.«

 

Abschließende Frage: Was wären Deine 5 AOR Alben für die einsame Insel?

»AOR oder Melodic Rock?«

 

AOR.

»Oh Gott. Schwierige Frage. Das Ding ist, dass ich bei weitem nicht so viel AOR höre wie die Leute vielleicht denken mögen. Die meisten glauben das ich der größte Journey-Fan des Planeten sein muss, bin ich aber nicht. Natürlich habe ich alle ihre Alben und finde sie großartig, aber für gewöhnlich höre ich eher Hardrock und Metal. OK, ich versuchs: Vital Signs von SURVIVOR. Frontiers von JOURNEY.«

 

Was noch?

»TOTO. Wie heißt die Scheibe noch gleich?«

 

The Seventh One?

»Ne, wie heißt das Ding mit ‘Angel Don`t Cry’ nochmal?«

 

Sorry, Denkblockade meinerseits.

»Ich google das jetzt, kann doch nicht sein.

Pause, ziemlich lange Pause….

Isolation, meine Güte.«

 

Nichts von Foreigner?

»Natürlich die 4.«

 

Erik, Danke für Deine Zeit. Ich hoffe wir sehen uns im Rahmen der kommenden Tour.

»Das hoffen wir auch. Mach‘s gut.«

 

Anmerkung:

Tolle Top 5, ich habe vergessen nach dem fünften Album zu fragen….