PLANET P PROJECT – s/t

Label
Geffen
Erscheinungsjahr
1983
Tracklist
1. Static 4:03
2. King for a Day 3:57
3. I Won't Wake Up 3:46
4. Top of the World 4:34
5. Armageddon 4:20
6. Tranquility Base 1:54
7. Why Me? 4:06
8. Power Tools 3:59
9. Send It in a Letter 3:52
10. Adam and Eve 3:36
11. Only You and Me 3:22
12. Ruby 1:54
Line-Up
Tony Carey lead and backing vocals, keyboards, bass, acoustic guitar
David Thomas additional lead vocals
Johan Daansen guitars
Robert Musenpichler guitars
Helmut Bibi guitars
Hartmut Pfannmueller drums, percussion
Fritz Matzka drums, percussion
Peter Hauke drums, percussion, producer
Unsere Wertung
99
99

Tony Carey (vor allem bekannt als Keyboarder der glorreichen Rising-Phase) stieg 1977 bei RAINBOW aus und fing einen neuen Lebensabschnitt in Deutschland an. Mit diesem neuen Lebensabschnitt ging auch die stilistische Neuorientierung einher.

War Tony Carey erst auf der Richtungssuche, fand er 1982 mit der Veröffentlichung von I Won’t Be Home Tonight (auch aus der Perspektive von Tony selbst sein erstes ‚richtiges‘ Tony Carey-Album) seinen musikalischen Weg. Natürlich blieben (und werden es immer bleiben) Tarotfrauen und Sternenzähler ein wichtiger Teil seiner musikalischen Geschichte. Ab nun sind es (auch bis heute) entweder interessante (AOR-) Alben mit einem konzeptuellen Bezug, oder aber melodische Rockmusik mit Singer-Songwriter Hauch. Auch wenn die aktuellen PLANET P PROJECT-Alben (die Trilogie) sehr stark und allemal hörenswert sind, ist das erste Planet P Album aus dem Jahr 1983 für mich sein (bisheriges) Karrierehighlight.

Obwohl dieses PLANET P PROJECT-Debüt heute schon etwas in Vergessenheit geraten ist, wirklich „lost“ ist es nicht. Ein Lost Gem ist es aber unter anderem im Sinne einer falschen stilistischen Zuordnung – es wird des Öfteren dem Genre „progressive“, und nicht dem AOR zugeordnet. Mit den instrumentalen Exzessen – ohne den roten Faden und der zur Schau gestellten pseudo-Intellektualität – hat das Album aber nichts zu tun. Die musikalische Umsetzung erfolgt hier eher konventionell (im positiven Sinne des Wortes), stellenweise sogar entwaffnend minimalistisch, dennoch keineswegs spannungsfrei. Unter Progressivität wird hier vielmehr ein interessantes (in dem Falle: ein futuristisch angehauchtes) und zugegebenermaßen frei interpretierbares Albumkonzept mitsamt der darauf aufgebauten Atmosphäre verstanden. Ein Lost Gem ist es auch aus der Perspektive, dass es – trotz seines AOR-Bezugs und seiner Klasse – unter dem Schirm nicht weniger AOR-Fans läuft. Selbst ein seriöses und kompetentes AOR-Medium wie die AOR Bible führt das Planet P-Album nicht in deren Top 250 All Time AOR-Alben auf.

Obwohl das PLANET P PROJECT-Album vom Klang her unüberhörbar durch die elektronische Musik der früheren 80er (Vergleichsgrößen: Computer World von KRAFTWERK oder Exit von TANGERINE DREAM) sowie vom feinen Art Pop der Marke ALAN PARSONS PROJECT (Eye in The Sky) inspiriert ist, ist es an sich immer noch ein reines und äußerst kompaktes AOR-Album. Melodie, Eingängigkeit, atmosphärisch-düstere Klanglandschaften, stilistische Vielfalt und kurzum: Abwechslungsreichtum stehen hier im Vordergrund. Der wohl bekannteste Song dürfte die damals erfolgreiche New Wave angehauchte und auf einer Funk-Basis aufgebaute Single ‚Why Me‘ sein, (seinerzeit: Billboard’s Mainstream Rock auf Platz 4). Äußerst hörenswert ist übrigens auch die 7-minütige ‚Why Me‘-Version als Maxi Single. Die eingängigen Elemente werden beispielsweise auf ‚I Won’t Wake Up‘ zum Ausdruck gebracht. Einen balladesken singer-songwriter orientierten Hauch prägt ‚Top Of The World‘. Das düstere und pulsierende ‚King For A Day‘ ist Intensität pur. Die wirkungsvolleren, manchmal repetitiven, dennoch stets melodiösen Gesangsmelodien von Tony Carey (auf seinen Alben stets einer der Highlights) verleihen nicht nur ‚Send In A Letter‘, sondern dem gesamten Album eine besondere Dramatik.

Das elektronisch-geprägte ‚Adam And Eve‘ ist unüberhörbar von der Düsseldorfer Schule (Mensch und Maschine/‘Die Roboter‘, vor allem: ‚Das Modell‘) inspiriert. So wie auch ‚Power Tools, mit seinen KRAFTWERK-spezifischen angehauchten Kadenzen. Effektiv ist nicht nur der downbeat-orientierte Opener ‚Static‘ (seinerzeit: Billboard Platz 24), sondern auch ‚Armageddon‘ mit seinen geschmacksvollen Gitarrenlicks und bombastischen Drumsounds. ‚Tranquility Base‘ und das äußerst simple, dennoch effektive ‚Ruby‘ – obwohl die beiden Songs auf der Original LP-Version nicht vertreten waren – fügen sich perfekt in das Albumkonzept ein. Das Album besticht durch ein ausnahmslos tolles Songwriting. Die Songs sind so konzipiert, dass diese sowohl im Albumkontext, wie auch einzeln funktionieren.

Wie auch sonst immer, Tony Carey spielte auf dem Album einen Großteil der Musikinstrumente (bis auf die E-Gitarre und Drums) selbst ein. Unterstützung erhielt er durch die Studioasse wie Helmut Bibl (u.a. FALCO), Hartmut Pfannmüller (u.a. SUPERMAX), Robby Musenbichler und Fritz Matzka (beide TOKYO). Aufgenommen wurde es in den legendären Hotline Recording Studios in Frankfurt am Main. Das futuristische Albumkonzept, in Verbindung mit Atmosphäre und ergänzt durch die (auch für heutige Verhältnisse) sehr gute Produktion stellen etwas wirklich Besonderes dar.

Beim PLANET P PROJECT-Debüt handelt es sich einfach um einen wichtigen Teil der deutschen AOR-Geschichte und im Allgemeinen der deutschen Musikgeschichte. Das Album habe ich so um das Jahr 1989 noch als Teenager kennen und auch gleich lieben gelernt, zusammen mit dem ebenbürtigen und etwas anders konzipierten Nachfolger Pink World. Bis heute hat es sich bei mir weder abgenutzt noch ist es langweilig geworden. Bis dato ist es eines meiner Alltime Faves geblieben. Hand aufs Herz – das PLANET P PROJECT-Debüt ist zeitlos und ist eines der 10 Alben, die ich auf die einsame Insel mitnehmen würde.