93. H.E.A.T. – Address The Nation

Seien wir doch mal ehrlich: Die meisten auf dieser Website vorgestellten Bands haben ein Durchschnittsalter jenseits der 50 und die kommerzielle Hochzeit des Genres liegt leider bereits Jahrzehnte hinter uns. Da ist es nur klar und folgerichtig, dass sich das Gros der jungen und aufstrebenden Bands lieber anderen Genres zuwendet, zumal die jeweiligen Protagonisten meist noch nicht einmal geboren sein dürften, als BON JOVI, JOURNEY und Co. die Stadien der Welt zerlegten.

Umso erfreulicher dann die lichten Momente, wenn sich dann doch mal der Nachwuchs aufmacht um einem, von der breiten Masse bereits für Tod erklärten Genre neues Leben einzuhauchen. Und wenn das, wie in vorliegendem Fall, mit einer derart hohen Qualität dargeboten wird, dann darf man auch gerne mal in Jubelarien ausbrechen.

2007 in Schweden gegründet, hatte man sich bereits mit dem sehr guten, gleichnamigen Debüt aus dem Jahr 2008 sowie dem Nachfolger Freedom Rock (2010) einen beachtlichen Stellenwert erspielt, bevor Sänger Kenny Leckremo der Truppe den Rücken kehrte. Ersatz fand man in Person von Eric Grönwall, seines Zeichens Gewinner der 2009er-Version des “Swedish Idol” (in etwa vergleichbar mit “The Voice of Germany” oder ähnlichen Formaten) Kontests.

Wurde der Personalwechsel von der Öffentlichkeit anfangs bestenfalls skeptisch beäugt, lösten sich sämtliche Zweifel spätestens mit den ersten Tönen des Albumopeners ‘Breaking the Silence’ in Luft auf. Was hier geboten wurde war Arenarock in seiner reinsten Form, modern und frisch dargeboten und wie es DEF LEPPARD in ihrer Hysteria Phase nicht überzeugender hätten rüberbringen können. Hier sitzt jeder Ton, der Refrain geht sofort ins Ohr und auch produktionstechnisch ist man fest im Hier und Jetzt verankert, ohne die Reminiszenzen an die Hochzeiten dieser Musikrichtung völlig außer acht zu lassen. So stelle ich mir einen respektvollen Umgang mit den eigenen musikalischen Wurzeln, gepaart mit der Unbekümmertheit der Jugend und eingebettet in freche, erfrischende Rocksongs vor.

Grönwall überzeugt mit seiner klaren Stimme in jeder Tonlage und verleiht der unsterblichen, mit sehr schönen Keyboardteppichen unterlegten, Hymne ‘Living On The Run’, dem an JOURNEY erinnernden Midtemposong ‘Heartbreaker’ oder dem 80`s Rocker ‘I Need Her’ einen hohen Wiedererkennungswert, während die Gitarristen Dave Dalone und Eric Rivers mit einem schönen Solo nach dem anderen glänzen.

Da sich die Skandinavier auf der anschließenden Tour auch noch als großartige und äußerst sympathische Überzeugungstäter präsentierten, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Address The Nation der Startschuss für eine neu Ära an Bands gewesen sein könnte, die sich künftig wieder vermehrt dem melodischen Rock zuwenden werden. Erste Anzeichen in Form von den ungefähr zeitgleich gestarteten Landmännern von ECLIPSE oder ONE DESIRE kann man erfreulicherweise schon heute registrieren.

Und dass Address The Nation weiß Gott keine Eintagsfliege war, haben u.a. die Nachfolger Tearing Down The Walls und vor allen Dingen das derzeit aktuelle II eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Wer also abseits der alten Helden einen Eindruck bekommen möchte, wie eine neue Generation den Melodic Rock der Neuzeit versteht und interpretiert, der kommt an H.E.A.T. und im speziellen an diesem Album nicht vorbei.