A NEVERENDING JOHN’S DREAM – Coming Back To Paradise

Label
Pride & Joy Music
Erscheinungsdatum
19.04.2024
Tracklist
1. Welcome To My Ghost Kingdom
2. Coming Back To Paradise
3. Equilibrium
4. I’ve Lost My Dreams
5. If We Stand United
6. Alone With My Shadow
7. Prisoners Of This Life
8. In Our Hands
9. Sad Winter
10. Save Me From Myself
11. Mother Of All
12. Sunrise
Line-Up
Joan M. Heredia (vocals, drums)
David Vidal (guitars)
Xavier Miró (keys)
Paul E. Schuster (bass)
Unsere Wertung
88
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88

In ganz ferner Vergangenheit war Sticken groß in Mode. Auch in meinem familiären Umfeld wurde gestickt „auf Teufel komm raus“. Die beliebtesten Motive: Landschaften, Berge, Wälder oder auch Wasserfälle. War das noch nicht schlimm genug, wurden die Bilder danach auch noch zum Verzieren der Räume aufgehangen – schauderhaft. Dass sich die Spanier A NEVERENDING JOHN‘S DREAM augenscheinlich mit der Covergestaltung Ihres Debüts an dieses unsägliche (deutsche?) Hobby erinnern, ist schon etwas skurril. Was jedoch dem Fass den Boden ausschlägt ist die Tatsache, dass sie sich nicht nur EINES der bekannten Stickbildermotive als Vorlage greifen, nein, hier müssen sowohl das Gebirge als auch der Wasserfall herhalten – ein paar Bäume im Vordergrund machen die Idylle komplett.

Womit haben wir es aber musikalisch zu tun? Laut dem Beipackzettel der Plattenfirma mit einem „melodic hard ‘n‘ heavy album, with a late 80’s/early 90’s feel“. Mit dieser sehr allgemein gehaltenen Beschreibung starte ich das Intro ‚Welcome To My Ghost Kingdom‘. Nach klassischem melodischem Hardrock klingt der Einstieg schonmal nicht. Man hat eher den Anschein, als ob die Band SARACEN’s apokalyptische Reiter wieder zum Leben erwecken wollen. Auch wenn mich das Gehörte erstmal ziemlich irritiert, so soll mir das nur Recht sein, immerhin ist das Fabelwerk Heroes, Saints And Fools der Briten eine Sternstunde des epischen Metals.

Mit dem Titelsong ‚Coming Back to Paradise‘ wird man dann aber erstmal nicht ins Paradies befördert, sondern leider schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Das liegt daran, weil wir es hier mit einem durch und durch klassischen AOR-Song zu tun haben, der ganz klar von deutschen Melodicrock-Bands der 80er beeinflusst ist. Es gibt wahrlich schlechtere Referenzen (zumal der Song wirklich sehr gut ist) – das Intro hatte mich aber tatsächlich auf eine ganz andere Reise vorbereitet. Aufgrund dieser Tatsache würde mein geschätzter Kollege Frank (bekanntermaßen ein Verächter deutschen Hardrocks aus der Blütezeit der Musik) die Scheibe mit einem Tritt Richtung Müngersdorfer … äh … RheinEnergie Stadion befördern. Aber, das wäre ein ganz ganz großer Fehler.

Die Kurskorrektur in Richtung Intro folgt nämlich auf dem Fuße, beziehungsweise mit dem nachfolgenden ‘Equilibrium’. Ich würde das ganze als Epic-AOR bezeichnen. Der ein- oder andere mag bei diesem Begriff vielleicht an MAGNUM denken, aber mit den Engländern hat der Sound von A NEVERENDING JOHN‘S DREAM nur am Rande zu tun. Vielmehr fühlt man sich hinsichtlich der Stimmung (und auch der Stimme) an die epischen Rock/Metal-Alben der 80er erinnert – aber eben im Melodicrock/AOR-Gewand. Auch umschwebt ‚Equilibrium‘ immer das leicht Sakrale, was beispielsweise SARACEN ausgezeichnet hatte. Trotz seiner komplexeren Songstruktur ist der Song ein Ohrwurm par excellence.

Diesen Stil behalten A NEVERENDING JOHN‘S DREAM bis zum Ende des Albums glücklicherweise bei. Und was für geniale Songs hat die Band hier aufgenommen. ‚I’ve Lost My Dreams‘ mit seinem latenten THRESHOLD-Flair im Refrain sollte allen Fans der Prog-Rock/Metal-Meister vor Verzückung im Kreis springen lassen. Zum Heulen schön ist auch das leicht progressive ‚If We Stand United‘. Duellieren sich anfangs noch Gitarre und Schlagzeug, so explodieren die Keyboards förmlich im mitreißenden Refrain – für mich der beste Song des Albums. Auf der B-Seite von Coming Back To Paradise findet man aber dann auch einige Songs, welche nicht mehr ganz das Niveau der vorangegangenen Tracks erreichen. Wobei beispielsweise ‚Sad Winter‘, ‘Prisoners Of Life’ und vor allem ‚Mother of All‘ im Vergleich zur schwindelerregenden Qualität der ersten Hälfte nur minimal abfallen.

Das Album ist nichts zum „nebenbei hören“ und fordert die Aufmerksamkeit des Hörers. Ich habe festgestellt, dass Coming Back To Paradise am besten unterm Kopfhörer funktioniert. Die Scheibe ist extrem detailliert ausgearbeitet und mit jedem Hören kann man die ein- oder andere Feinheit neu entdecken.

Kopf von A NEVERENDING JOHN‘S DREAM ist Sänger, Schlagzeuger und Komponist Joan M. Herdedia, welcher von Davide Vidal (Gitarre), Paul E. Schuster (Bass) und Xavier Miró an den Keyboards unterstützt wird. Die Band hat bereits angekündigt, dass sie das Album auch live aufführen will. Aufgrund des obskuren Stils könnte ich mir A NEVERENDING JOHN‘S DREAM auch sehr gut auf den klassischen Metalfestivals (z.B. Keep It True) vorstellen.

Alle aufgeschlossenen Melodicrock-Fans sollten hier unbedingt ein Ohr riskieren.

  1. Was hat man sich nur bei dem Cover gedacht…?

    Lieber Rainer, ich glaube ich muss hier mal
    etwas klarstellen:
    Ich bin nicht grundsätzlich ein Verächter des deutschen
    Hardrocks, nur solche Nullnummern wie Craaft, Roko und
    Konsorten sind mir zuwider.

    Ausserdem:
    Die von Dir besprochene Platte in Richtung Müngersdorfer Stadion
    zu befördern, würde der Qualität selbiger nur gut tun.
    Dort wird nämlich bekanntlich ehrlicher,technisch begnadeter
    Fußball gespielt…
    Angesichts der doch etwas ziellosen musikalischen Darbietung
    der Scheibe also zw. Orientierung nicht der schlechteste
    Ort… 😉