LOST GEMS: KOREA – s/t

Label
Rammit Records
Erscheinungsjahr
1992
Tracklist
1 Beyond Time 3:52
2 The Letter 4:12
3 Lonely Child 3:58
4 Stealin' My Heart 4:37
5 Broken Bottles 3:10
6 Korea 3:23
7 Eye To Eye 4:03
8 Feel This Way 3:57
9 Now 3:35
10 Stealin' My Heart (Instrumental) 4:26
11 Lonely Child (Acoustic) 3:07
12 Beyond Time (Full Version) 4:10
Line-Up
Gino Lionessa – Guitars & Lead Vocals
Tony „T-Bone“ Botelho – Bass Guitar & Back Vocals
Anthony Lionessa – Guitars
Sylvain Beauchamp – Keyboards & Back Vocals
Henry „Chuck“ Torrossoan - Drums
Unsere Wertung
82
82

Bevor die musikalische Entwicklung den AOR-Sound und diverse Hairspray-Eskapaden aus LA mehr oder weniger komplett von der Landkarte wischte, wurden Anfang der 90er noch einige musikalische Perlen veröffentlicht, die heute komplett unter dem Radar laufen. Dazu zählt auch das unbetitelte Debüt der Kandier KOREA aus Toronto. Und ganz ehrlich, wenn die Platte nicht im Januar 2024 im Rock Hard als Perle des Plüschs abgefeiert worden wäre, hätte ich von der Band auch gar nichts mitbekommen. Mein besonderer Dank geht an der Stelle an meinen Kumpel Stefan, der sich die CD für kleines Geld in den USA geordert und sie hinterher mir vermacht hat, damit sie in der AOR-Bible besprochen wird. Die Musiker sagen mir alle nichts, von den scheint hinterher auch keiner mehr in Erscheinung getreten zu sein. Der einzig prominente Name im Zusammenhang mit der Scheibe ist APRIL WINE Gitarrist Gary Moffet, der hier als Co-Produzent und Gastmusiker aufgeführt wird.

Was erwartet uns hier? Typischer 80er-Jahre-AOR mit wenig Ecken und Kanten, gut und transparent produziert mit reichlich Ohrwurmcharakter, irgendwo zwischen HONEYMOON SUITE, WHITE SISTER und den Solo-Scheiben von TOMMY SHAW. Leider war man damit 1992 zu spät dran, um noch verkaufstechnisch groß etwas reißen zu können.

Schon der Acapella-Einstieg beim Opener ‘Beyond Time’ geht richtig gut ins Ohr. Das Lied hat definitiv Hitpotential und wäre bei mir damals auf einem Mixtape im Auto gelandet. ‘The Letter’ startet dann richtig poppig und hätte sich prima als Hintergrundmusik bei Miami Vice gemacht. Hier beweist der Gitarrist mit seinem gefühlvollen Solo, das er sein Geschäft perfekt beherrscht. Der Chorus ist im ersten Anlauf nicht ganz so eingängig, bleibt aber mit der Zeit immer besser hängen. Eine Ballade darf natürlich auch nicht fehlen und mit ‘Lonely Child’ hat man ein überzeugendes Exemplar an Bord. Damit hätte man 5 Jahre früher durchaus in den Charts landen können. ‘Stealin‘ My Heart’ dauert dann ein bisschen, bis es in die Gänge kommt, gefällt mir dann aber mit dem weiblichen Backgroundgesang von Donna May Featherstone. Von der guten Frau hätte ich gerne mehr gehört. Der nachfolgende Rocker ‘Broken Bottles’ ist leider total flach und geht zu 100 % an mir vorbei. Dafür ist die Bandhymne ‘Korea’ ein weiterer Volltreffer mit megaeingängigem Chorus. Allerdings wäre ich für sachdienliche Hinweise dankbar, wo man sich beim Aufbau des Refrains hat inspirieren lassen. Balladesk beginnt ‘Eye To Eye’, steigert sich im Verlauf stetig und besitzt mal wieder einen großartigen Chorus. Selbigen hat man leider mit dem Gestammel bei ‘Feel This Way’ ziemlich in den Sand gesetzt. Zündet bei mir wenig bis gar nicht. Dafür funktioniert das rockige ‘Now’ mit viel Laut-Leise-Dynamik richtig gut und ist für mich eines der Highlights der Platte.

Zum regulären Abschluss bekommt man dann eine instrumentale Version von ‘Stealin‘ My Heart’, wobei der weibliche Backgroundgesang beibehalten wurde. Kann man machen, braucht man aber nicht unbedingt. Das gilt auch für den ersten der beiden Bonustracks, einer akustischen Fassung von ‘Lonely Child’. Die „Full Version“ von ‘Beyond Time’ ist da schon interessanter, weil da ein Intro den mehrstimmigen Gesangsteil des Openers ersetzt. Hat auch was, aber da gefällt mir das Original besser.

Die Scheibe ist ganz klar eine vergessene Perle, aber so ganz kann ich die Begeisterung im Rock Hard nicht nachvollziehen. Auf der einen Seite sind etliche Hits mit tollen Melodien vertreten, aber man findet anderseits auch zwei ziemliche Flops auf der Scheibe und die letzten drei Lieder sind eher überflüssig. Irgendwie fehlt auch ein Alleinstellungsmerkmal der Musik. Das ist alles perfekt gemachter AOR, aber der Sänger zum Beispiel klingt wenig prägnant und recht austauschbar. Bei den paar Momenten, wo man Donna zu hören bekommt, stiehlt sie meiner Meinung nach dem regulären Sänger eindeutig die Show. Fans des AOR nordamerikanischer Prägung können hier natürlich bedenkenlos zugreifen, erwartet aber nicht den heiligen Gral des AOR. Ich habe aber meinen Spaß mit der Platte.