Interview mit Tony Carey

Alexander Dechta: Tony, im Jahr 1982 sind 3 Alben von Dir erschienen: Yellow Power, I Won‘t Be Home Tonight und In The Abscence of The Cat. Warum 3 Alben innerhalb eines Jahres? Warum klingen sie alle anders?

Tony Carey: Ich habe RAINBOW 1977 verlassen. Nach Deutschland bin ich 1978 gekommen und hiergeblieben – weil ich mich hier wohl fühle. Ich hatte ein Studio (im Frankfurter Nordend) gefunden und hatte Carte Blanche – ich konnte aufnehmen was ich wollte und so lange ich es wollte. Ich war auf der Richtungssuche. Zu der Zeit war ich stark von den Bands wie KRAFTWERK und den Synthsounds beeinflusst (Synth-Bands aus Deutschland, Anm: Krautrock). Eigentlich sind in der Zeit meinerseits sogar 6 Alben aufgenommen worden. Die 3 Alben, die du genannt hast, waren eindeutige Tony Carey-Alben. Die Bezeichnung Yellow Power ist aus heutiger Sicht nicht politisch korrekt (ich war damals 24 Jahre alt und eine möglicherweise rassistische Interpretation der Bezeichnung war mir nicht bewusst). Yellow Power ist in der Zeit entstanden, bevor ich wusste, dass ich singen konnte bzw. wollte. Die Stücke sind einfach so aufgenommen und abgemischt worden. Peter Hauke, mein damaliger Mitstreiter, ermunterte mich die Stücke zu veröffentlichen – Yellow Power als Instrumentalalbum und In The Abscence Of The Cat als das erste Soloalbum. Ich höre mir die Alben heute nicht gerne an – es war „Learning By Doing“. Nur stellenweise erkenne ich den späteren Tony Carey. Die Veröffentlichung fand auf dem kleinen Label Teldec statt. Die Songs aus dieser Periode – ‚Somehow‘ und ‚Jamie‘ – erhielten Airplay in den USA.

Dann haben wir Rocshire Records kennen gelernt, die von Anfang an kriminell waren (spätere Veruntreuung von einem größeren siebenstelligen Betrag). Unter Vertrag hatten sie ALCATRAZZ (Yngwie Malmsteen, Graham Bonnet), mich und noch einen weiteren Künstler. Man flog mich nach Kalifornien in erster Klasse. Man holte mich mit einer Limousine ab und brachte mich in einem 5 Sterne Hotel in Beverly Hills unter. Die hatten ein Topstudio. Mein erster Gedanke war: Wo kommt das ganze Geld her? Wir nahmen dann I Won‘t Be Home Tonight auf. Der Titelsong wurde als Single ausgekoppelt und wurde rauf unter runter gespielt und erreichte eine Platzierung in den Top 100 Billboard Charts. Für eine kleine Plattenfirma war der Erfolg bemerkenswert. Das waren die Anfangstage von MTV und der Song war eines der wenigen mit einem Video. Das Video zum Titelsong lief auf MTV auf „heavy rotation“ bis zu 6-mal am Tag rund um die Uhr. Wenig später flog der Betrug (bei Rocshire Records) auf. Bis heute besitzt das Finanzamt (Finanzministerium der USA) auf Grund der Schuld von 10 Mio. USD die Rechte am Album. Das war eine verrückte Geschichte. Graham (Anm.: Bonnet) und ich – wenn wir uns sehen – lachen uns bis heute darüber tot. So sieht die Geschichte zu I Won‘t Be Home Tonight aus, welches im Gegensatz zu In The Abscence Of The Cat mein erstes echtes Soloalbum war. I Won‘t Be Home Tonight ist eigentlich auch nicht schlecht.

AD: Das Album (I Won’t Be Home Tonight) ist klasse, vor allem ‘Carry My Love’.

TC: Ja, ‘Carry My Love’ ist auch mein Fave. Es gibt aber weitere Highlights auf dem Album.

AD: Gibt es weitere Anekdoten zu I Won‘t Be Home Tonight?

TC: (Lacht) Ja, es war gedacht als Steuerabschreibung für Herrn Hauke. Wirklich, der hat 2-mal wöchentlich irgendwelche Lost Artists veröffentlicht. Er war 3-mal insolvent und auf der Flucht (vor den Steuerbehörden). Auch das FBI war hinter ihm her. Auf Mallorca wurde er festgenommen. Bevor er verstorben ist, schuldete er mir und anderen Künstlern (beispielsweise SUPERMAX) je einen siebenstelligen Betrag (den ich abgeschrieben habe). Aber zu deiner Frage: Wie gesagt, In The Abscence Of The Cat war primär eine Steuerabschreibung für Peter Hauke. Er besaß ein Studio mit einem Stundensatz von 250 DM/Std. Für damalige Zeiten war dies ein hoher Betrag. Ich konnte täglich 16 bis 20 Stunden am Tag abrechnen – ein großer Verlust für ihn. In Wirklichkeit hat er kein Geld verloren, ansonsten hätte das Studio leer gestanden. So lief es eigentlich mit allen Alben bei ihm. Irgendwann lernte er die Jungs von Rockshire Records kennen. Zu der Zeit war ich blauäugig, ich wusste nicht mal, ob ich Sänger werden wollte.

AD: Kommen wir zu Some Tough City /Blue Highway. Wie ist eigentlich das (tolle) Video zu ‚A Fine Fine Day‘ entstanden?

TC: Das war nicht meine, sondern die Idee von MCA Records. Das Video ist von Storm Ferguson, der die Artworks für die PINK FLOYD-Alben gemacht hat. Auch diese ikonischen Bilder zu Wish You Were Here oder Dark Side of The Moon stammen von ihm. Im Gegensatz zu den meisten anderen Videos von mir ist das Video zu ‚A Fine Fine Day‘ gelungen – der Regisseur verstand, um was es beim Song ging. Zum Cover von Some Tough City, wo ich den erschossenen Oncle Sunny halte – ich hatte eine Lederjacke an, die nicht warm war. Ich werde es nie vergessen, wie kalt es war. Alles stammte von Storm Ferguson, ich war allerdings am Drehbuch nicht beteiligt.

AD: Some Tough City ist richtig stark, klingt aber anders als Blue Highway.

TC:  Meine Alben klingen nie gleich.

AD: Hast du noch einen persönlichen Bezug zu Some Tough City und Blue Highway?

TC: Ja, da sind tolle Songs drauf. ‚Some Tough City – die Titelmelodie war gut, ‘A Fine Fine Day’ war gut. ‘First Day Of Summer‘ war ebenfalls auf dem Album. Der Song war damals ein Hit.

AD: ‚Eddie Goes Underground‘?

TC: Ja! Auch ‚Lonely Life‘ – das sind alles kriminelle Songs. Die ganze LP bestand aus kriminellen Songs. Ich habe in Hollywood gearbeitet und kannte viele Kriminelle – Gauner, Drogenhändler verschiedene Kleinkriminelle aller Arten. Es gab keinen echten Eddie – verschiedene Persönlichkeiten verschmolzen zu einem Symbolbild – Eddie. Oder ‚Lonely Life‘- Little John sitzt bei CB (Radio).

AD: Unser Review zu Blue Highway ist derzeit, auch 3 Wochen nach seiner Veröffentlichung, das am meisten aufgerufene Review in der Rubrik „Lost Gems“ auf unserer Homepage. Das bedeutet konkret, dass das Interesse an deiner Musik nach wie vor da ist.

TC: Danke. Blue Highway war toll (als Konzept). Ich kam von einer ausgedehnten US-Tour mit 110 Konzerten in 112 Tagen von Miami nach Alaska und war total ausgelaugt. Dann hieß es, es muss eine neue Platte her. Nigel (Anm.: Nigel Jobson, später unter anderem Soundengineer von Roger Waters „The Wall“ in Berlin) und ich waren bis zu 16 Stunden am Tag im Studio. Ich wohnte nur 200 Meter vom Studio entfernt. Wir (Nigel und ich) haben Bertram Engel und Carl Carlton (von der PETER MAFFAY BAND) kennen gelernt – so ist meine Verbindung zu Peter entstanden. Betram saß am Schlagzeug, Carl spielte viel Gitarre, ich spielte wie immer Bass und Keyboard. Jimmy Barnes landete bei seiner Deutschland-Reise bei mir. Ich sollte für ihn die Songs schreiben und produzieren (diese sind nicht wiederauffindbar). Wir beide waren trinkfest, das kann man laut sagen. Auch all das, womit man die 80er assoziiert. Er sang die folgenden Songs ein: ‚We Wanna Live‘, ‚She Moves Like A Dancer‘ und ein paar andere. Blue Highway war das erste Album, das ich als gelungen gesehen habe.

AD: Aus der heutigen oder aus der damaligen Perspektive?

TC: Aus der damaligen Perspektive. Auch als Rundumpaket.

AD: Auch wenn Blue Highway mein Lieblingsalbum von Dir ist, hast du danach auch viele tolle Alben gemacht. Wie siehst du For You und Storyville aus der heutigen Perspektive? Diese haben aus meiner Sicht auch viele Highlights.

TC: Das ist eine komplett andere Geschichte. Ich schloss das Frankfurter Kapitel für mich ab und habe gegen Peter Hauke eine siebenstellige Klage eingereicht, die zu seiner zweiten Insolvenz geführt hat (die erste Insolvenz war SUPERMAX). Ich kannte Peter (Maffay) seit Ende 84 – die Chemie stimmte von Anfang an. Peter erfuhr von meinen Problemen mit Peter Hauke und machte mir das Angebot, zu ihm nach Tutzing zu kommen und seine Musik zu produzieren. In der damaligen Zeit bekam man ein festes Budget, und die Studios waren teuer – um 2.000 DM am Tag. Ich stellte für mich die Rechnung auf: ist ein eigenes Studio preiswerter? Meine 4-Zimmer Wohnung habe ich komplett zum Studio umgebaut – herrlich! In der Zeit habe ich auch For You und Storyville gemacht. Um die Zeit kam auch Bedtime Story (mit Steffi Stefan, Bertram Engel, Peter Maffay und Carl Carlton) raus.

For You: Nigel (Jobson) und ich wohnten allein. ‚I Can’t Talk To You’, ‘I Feel Good’ – die Titelmelodie für den Schimanski-Tatort. Es war recht laut. Und beschäftigte sogar einen Anwalt, dessen Aufgabe es war, mich vor der Räumungsklage zu schützen. Ich wohnte gegenüber von Peter (Maffay), wo er heute immer noch wohnt. ‚I Can’t Talk To You’, ‘I Feel Good’, ‘Heard It On The Radio’. Fällt dir noch etwas ein?

AD: Die Zusammenarbeit mit Eric Burdon/Anne Haigis auf ‚No Man’s Land‘? Wie kam es eigentlich dazu? Der Song ist auch gut.

TC: Danke. Ist mir 5-mal passiert – ein Englischer Künstler auf Tournee in Deutschland, der ein Album aufnehmen will und die Bedingung stellt, dass der Produzent English spricht. Ich habe in dem Zusammenhang Chris Norman, John Mayall, Eric Burdon und ein paar andere betreut. Eric (Burdon) war auf Tournee und wollte ein Duo aufnehmen. Das war eine tolle Konstellation (mit Anne) und einfach eine lustige Zeit. Danach sind wir 4- oder 5-mal im deutschen Fernsehen aufgetreten (Karl Dall Show, Musikladen).

AD: Storyville. Du spielst den Titelsong live sehr oft – zumindest auf jedem Konzert von dir, das ich erlebt habe, hast du den Song performt. Der Titelsong ist ein Song, der seine Wirkung am besten in einer intimen Atmosphäre entfaltet. Was ist die Geschichte hinter dem Song?

TC: Storyville liegt in New Orleans. Storyville heißt Storyville, da der Bürgermeister der Stadt Bill Story hieß, nach dem der Stadtteil auch benannt wurde. Storyville war auch ein Rotlichtviertel. Aber auch der Geburtsort von Dixieland Music (Louis Armstong, Fats Dominoe). Im Song geht es um die Reise von einem verliebten Paar nach New Orleans/Storyville – in welcher man sein Leben erfüllt leben kann, und wo die Musik in the air ist. Das ist die Geschichte von Storyville, die ich bis heute als Standard (heute auf dem Klavier) spiele.

AD: Du hast noch einen großen, deinen wahrscheinlich größten Hit: ‚A Room With A View‘. Wie stehst du heute zu dem Song? Stellt der Song Fluch oder Segen für dich dar?

TC: Das spielt für mich keine Rolle. Ich lebe mein Leben wie ich will. Es gibt (deutsche) Journalisten, die mich One-Hit-Wonder nennen, ohne RAINBOW/‘A Fine Fine Day‘/‘First Day Of Summer‘ oder das PLANET P PROJECT zu kennen. Ich frage dann immer zurück – welchen Hit meinst du denn? Zu ‚Room With A View‘: Ich hatte eine Anfrage von einem bekannten Regisseur bekommen, der den Dreiteiler „Wilder Westen“ für die ARD machen sollte. Ob ich dazu etwas komponieren könnte? ‚A Room With A View‘ war zum Zeitpunkt bereits komponiert. Beim Text handelt es sich um einen Obdachlosen, der in einem Pappkarton lebt und der frei von seinen Sorgen ist, da er alles versoffen hat. 1 Monat später landete der Songs auf Platz 8. Der Song ist sogar als Top 25 Alltime Filmtitel aller Zeiten gekürt worden. Ich finde den Titel gut, die Melodie, die Komposition – alles ist gut. ‚A Room With A View‘ war ein typisch deutsches Thema, im Gegensatz zu Blue Highway, das insbesondere in Skandinavien gut ankam, oder das PLANET P PROJECT, das in Russland/SU besonders erfolgreich war. Fluch oder Segen? Schwer einzuordnen.

AD: The Long Road & Cold War Kids. Die Alben sind etwas ruhiger.

TC: Storyville war mein erster Versuch Countrymusik zu machen.

AD: The Long Road und Cold War Kids beinhalten ebenfalls Highlights. Beispiel: ‚20 Days‘.

TC: The Long Road habe ich zum ersten Mal mit einem externen Produzenten (der auch mit Bruce Springsteen tätig war) gearbeitet.

AD: Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum das Album teilweise auch nach Bruce Springsteen klingt.

TC: Erwin hat produziert. CC – wie immer unentbehrlich – war dabei. Lange Zeit habe ich das Album nicht gemocht, aber mittlerweile finde ich es gut – vor allem ‚Dancing Day‘ und den Titelsong. Welche Songs sind da noch drauf?

AD: Die, die mir am besten gefallen, sind, sind ‚Dancing Days‘, ‚I’ll Be On My Way‘, ‚Jail‘ und ‚Sandy‘.

TC: ‚Jail‘ – mit dem tollem Saxophon – ist großartig, ‚Sandy‘ ist seicht. Ich kriege lustigerweise viel positives Feedback zu dem Song, finde selbst aber den Songtext zu seicht. Cold War Kids war eine andere Geschichte. Ken Rose hat alles gemacht, und hatte sogar Songwriting-Credits. Unter dem Vertrag der Plattenfirma EastWest, die Cold War Kids veröffentlichte, stand damals unter anderem auch Mark Cohn (bekannt durch seinen großen Hit ‚Walking In Memphis‘). Kenny Aronoff (Anm.: Meat Loaf, John Cougar, Cinderella) spielte Schlagzeug auf Cold War Kids. Die Plattenfirma gab 450 Tsd. DM für das Album aus. Wir waren 3 Wochen in New York City. Die Time Square City-Energie war allgegenwärtig. Die meisten Songs sind in Deutschland entstanden. Das Video zum Titelsong ist toll. Was ist auf Cold War Kinds noch drauf?

AD: ‚Dust‘?

TC: Neben meiner Hemingway- habe ich meine Steinbeck-Periode gehabt. ‚20 Days’ spiele ich immer noch.

AD: ‘20 Days of Rain’, ‘Since You Went Away’, ‘The Things That Must Have Been’?

TC: Alle sind großartig! Die ganzen Dinger mit Ken Rose haben Hip Hop Loops – das habe ich damals erstmalig ausprobiert.

AD: Die Hip-Hop Loops kamen auf Island and Deserts wieder zum Einsatz.

TS: Islands and Deserts ist eines meines Lieblingsalben. Deserts – meine Familie kommt aus Las Vegas in Nevada und Islands wegen Mallorca. Zu der Zeit habe ich auf dem rustikalen Mallorca gelebt. Tolle Zeit! Ich habe ‚Dust‘ mit Tom Lennard neu aufgenommen, welcher ein begnadeter Gitarrist und ein toller Freund ist. Zudem: ‚Miles Away‘ und ‚I Never Go Anywhere Alone‘, das ich meinem verstorbenen Vater gewidmet habe. Das Album halte ich für eines meiner gelungensten Werke.

AD: The New Machine: ‘90 Miles From Eden’, ‘Run With The Lions’?

TC: Zu der Zeit wollte ich ein drittes PLANET P- Album aufnehmen. Alle Songs, bis auf ‚Run With The Lions‘, sind Demos.

AD: Die Songs, obwohl es nur Demos sind, klingen ausgearbeitet und gut.

TC: Den Ausdruck Demos, wenn ich im Studio bin, mag ich nicht. Ich meine hier eher die Songs, denen der letzte Schliff fehlt. Hier handelt es sich um eine Sammlung von den bisher unveröffentlichten Songs. Diese wollte ich veröffentlichen, da ich die gut fand.

AD: Roundup?

TC: (Lacht). Du hast wirklich meine letzte Schublade ausgegraben! Ich hatte damals 20-30 Songs bei mir gefunden, bei denen ich mir dachte – hey, nicht schlecht! Die Songs sind in den unterschiedlichen Perioden aufgenommen worden.

AD: ‚Katy‘? Auf Blue Highway in einer anderen Version?

TC: Danke, dass du das ansprichst. Auf Roundup in der ursprünglichen Version. Bei ‚Billy And Earl‘ handelt es sich um meine Katzen (die alles tun, was die wollen). Weitere Songs?

AD: ‚A Long Way From Home‘?

TC: ‚A Long Way From Home‘ ist sehr gut und auf dem späteren PLANET P-Album veröffentlicht worden. Bei dem Song handelt es sich um illegale Einwanderer in den USA: Weiter?

AD: ‚Along The Ponchartrain‘?

TC: Auch sehr gut! Es handelt sich um den Staudamm in den New Orleans/Louisiana und eine zerbrochene Beziehung.

AD: ‚Be Free‘ und ‚King Of The Fools‘?

TC: Die sind auf Islands and Deserts bereits in der finalen Form veröffentlicht worden. Roundup bedeutet übrigens Cowboysprache in Texas, und steht für die Viehsammlung. In dem Zusammenhang steht der Name für die Restverwertung (positiv gemeint).

AD: Die aktuelleren PLANET P –Alben ab dem Jahr 2003? Ihr Konzept und die Einordnung in deine Diskographie?

TC: Das sind meine besten Alben. Die letzte ist Steeltown. Es sind insgesamt 4. G.O.D.B.O.X.  heißt die Box mit den Alben, die in den Jahren 2009 und 2013 entstanden sind. Das durchgehende Leitmotiv ist – Go Out Dancing – wenn die Welt untergeht, tanzen wir. Ein absurder Gedanke. 1931 ist für viele Menschen das beste PLANET P PROJECT-Album. Mein Lieblingsalbum ist aus der Serie ist aber Levittown (Go Out Dancing Part II) – eine Geschichtensammlung aus den 50er Jahren aus den USA. Steeltown ist auch ein wichtiges Album, welches das Thema Extremismus und Ideologie (damals: Attentat in Norwegen) betrachtet. Im heutigen Kontext kann es auf den Ukraine-Konflikt übertragen werden.

AD: Jetzt zum Punkt, der viele AOR-Bible Leser interessieren dürfte. Deine RAINBOW-Zeit? Ist es ein Problem für dich, darüber zu sprechen? Die Zusammenarbeit mit einer bestimmten Person muss damals gewiss nicht einfach gewesen sein.

TC: Ich habe absolut kein Problem darüber zu sprechen. Ich war damals Anfang 20. Wir hatten einen Plattenvertrag und daher waren wir in LA. Wir dachten, wir seien die neuen Beatles und hätten es geschafft. Es war die glorreiche R’n’R Zeit. Unsere kleine Band war unter Vertrag bei ABC Records. Unser Produzent war Gary Katz (STEELY DAN). Es war total unpassend. Wir waren 11 Monate da, und kamen (auch trotz der Mitwirkung von Jeff Porcaro/später TOTO oder Lee Sklar/später Phil Collins) nicht voran. 2 Türen weiter von unserem Proberaum probte Ritchie mit Ronnie, Cozy, Jimmy und suchte nach einem Keyboarder. Man hat mich (da mein Keyboard laut war), gehört. Zu der Zeit lief ‚Man On A Silver Mountain‘ oft im Radio. Ich fand den Song toll. Jetzt brauchte Ritchie eine Band, die mit ihm auf Tournee geht – die alte Band, bis auf Ronnie, hatte er gefeuert. So hat es geklappt. Ich bin bis 77 bei RAINBOW geblieben – Rising, On Stage, die Studioaufnahmen zu Long Live Rock And Roll. Wobei bei Long Live Rock And Roll war es nur zur Hälfte – dann musste ich gehen, bzw. bin ich freiwillig gegangen, da es mir zu viel wurde.

AD: Ist etwas am Gerücht dran, dass du auf ‚Gates Of Babylon‘ spielst?

TC: Nein! Das war David Stone. 100% – ich war zu dieser Zeit schon nicht mehr da. Auf Long Live Rock And Roll bin ich auf dem Titelsong‚ ‘Lady Of The Lake‘ und weiteren Songs (Rough Mix, Anm: Neuauflage von 2012) zu hören. Dieses grandiose Spiel auf ‚Gates Of Babylon‘ stammt aber von David Stone. Den ich bis heute nicht kenne. Der kam aus Kanada. Der ist toll. Grundsätzlich war das so, dass bei den Studioaufnahmen – solange es kein Solo gab – kein Keyboarder zu hören war. Ritchie hat alles mit Gitarren gemacht. Aber wenn du RAINBOW aus der Zeit hören willst, dann höre am besten die Liveaufnahmen, konkret: Live On Stage. In Deutschland gibt es zudem die Veröffentlichung Live in Germany 1976.

AD: Es gibt zudem die Veröffentlichung Deutschland Tournee 1976 mit Konzerten in Köln, Düsseldorf und Nürnberg. Diese 3 CD-Box.

TC: Wenn du einen Überblick über RAINBOW haben willst, höre dir wie gesagt lieber die Livealben an, auch da die Orgel deutlich zu hören ist, als Gegenpol zu Ritchie. Im Studio ist vieles dagegen nur mit Gitarre gemacht worden, es sei denn, es war ein spezielles Keyboardsolo wie bei ‚Tarot Woman‘ oder ‚A Light In The Black‘. RAINBOW, musst du verstehen, war in einer Zeit, bevor ich wusste, was ich tue. Ich war etwas über 20, ich hatte einen Top Job und hatte die Welt gesehen. Ich hatte eigentlich am Anfang keinen Plan, wie lange ich das bei RAINBOW mitmache. Die Band hatte aber ein Riesenpotential – Ronnie, Ritchie, Cozy, Jimmy. Die technische und epische Seite – Regenbögen und Drachen – obwohl die toll sind, meins sind und waren die nicht. Das, was ich (als Musiker, danach: als Texter) sein will, habe ich erst herausgefunden, als ich mich 1978 in Deutschland niedergelassen und den Zugang zum Studio hatte.

AD: Gab es nach deiner RAINBOW-Zeit Ideen/Überlegungen, etwas gemeinsam mit den (ehemaligen) Rainbow-Mitgliedern auf die Beine zu stellen? Gemeinsame Projekte?

TC: Ronnie wollte mich bei BLACK SABBATH haben. Das weiß ich. Ich ahne aber, wie Tony (Anm: Iommi) auf die Idee von Ronnie reagiert haben muss. BLACK SABBATH sind schließlich keine Keyboard-orientierte Band. Aber schlussendlich wäre es nichts gewesen – das ist nicht mein Genre. Ich kenne die gesamte R’n’R-Show – Axel Rudi Pell, für Michael Schenker habe ich ebenfalls gespielt. Das kann ich, das liebe ich, das macht Spaß. Mein Genre ist es aber nicht. Mein Genre: Entweder schreibe ich mir eine Geschichte auf (Planet P), oder es ist Singer-Songwriter orientiert.

AD: Es gibt auf Youtube eine tolle Aufnahme – ‚Tarot Woman‘ mit Age Sten Nilsen.

TC: Ich halte Age Sten für einen großartigen Hard Rock -Sänger, den besten, den ich je gehört habe. Das was du meinst, ist die Aufnahme vom Sweden Rock Festival von 2015. Age Sten kam für 2 Songs – ‚Tarot Woman‘ und ‚Run With The Wolf‘ – das sind meine Lieblings-Rainbow-Songs auf Rising.

AD: Ein Blick in die Vergangenheit – die Band CRAAFT?

TC: CRAAFT waren ebenfalls im Hotline Studios in Frankfurt. Reinhard Besser war mein Tour Gitarrist, heute als Werbemusiker extrem erfolgreich. CRAAFT habe ich mit den Texten ausgeholfen. Wer war da noch dabei?

AD: Klaus Luley?

TC: Ja, genau. Klaus Luley.

AD: Wie sah deine Mitarbeit am Album aus?

TC: Ich glaube, neben Texten habe ich am Bass und den Keys ausgeholfen. So genau habe ich das aber nicht in Erinnerung.

AD: Blicken wir noch weiter in die Vergangenheit? Das Album ‚Working‘ von OMEGA aus dem Jahr 1981? OMEGA waren eine Kultband hinter dem Eisernen Vorgang,

TC: Unglaublich. Der Sänger ist an Covid dieses Jahr gestorben – war ein Impfverweigerer. Mir war der damalige Kultstatus von OMEGA nicht bewusst. Man hat mich nach Budapest eingeladen. Das war eine Megashow. Im Osten waren die wirklich populär. Die Texte zum Album Working–habe ich geschrieben. Die Texte sind skurril und erfordern gute Englischkenntnisse, um die Feinheiten verstehen zu können.

AD: Das Album ist nicht schlecht.

TC: Habe ich nicht konkret vor Augen – vor 40 Jahren zuletzt gehört. Ich nehme an, das Album ist auf YouTube verfügbar. Ich werde es mir gerne anhören.

AD: Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit ZED YAGO?

TC: Jimmy (Durand) ist ein Freund von mir. Als meine letzte Beziehung in die Brüche gegangen ist, kam für 4 Monate bei ihm unter. Wir haben viel Musik aufgenommen. Er ist ein toller Gitarrist. Man fing ursprünglich mit einer anderen Sängerin, Ute, an, die sehr gut war.

AD: Tony Carey heute und in Zukunft? Du hast doch zuletzt auch etwas mit Michael Schenker gemacht?

TC: Sein langjähriger Produzent (Michael Voss) ist mein Kumpel. Er sagte mir: wir machen eine LP und das inkl. einer Nummer mit der ganzen ex-RAINBOW-Mannschaft (Bob Daisley, Bobby Rondinelli). Nur Kumpels. Willst du mitmachen? Ich sagte zu – ich mache das aus Spaß und nehme dafür kein Geld an. Dann sagte Michael (Voss): Wie wäre es, wenn wir ein Intro wie bei ‚Tarot Woman‘ machen? Michael (Schenker) wusste nichts davon. Wir haben 4 Versionen aufgenommen – zwischen 40 Sekunden und 1,5 Minuten. Eine der Versionen hat ihm gefallen, und nun ist dieses auf dem Album.

AD: Welche aktuellen Projekte stehen sonst bei dir an?

TC: Auftrittsmäßig? Bei uns stehen 35 Auftritte mit MANDOKI SOULMATES. Es ist ein musikalisches Kollektiv, bei dem unter anderem Jack Bruce, Steve Lukather, Greg Lake, Chaka Khan in der Vergangenheit mitgewirkt haben. Dieses Jahr haben wir Mike Stern (Anm: Jazz-/Fusion-Legende) an der Gitarre und Bill Evans von der MILES DAVIS GROUP am Saxophon. Zudem: Randy Brecker (14 Grammys) an der Trompete. Auch: Richard Bona – der neue Stern aus Kamerun. Und ich bin der Sänger.

Wir haben letztes Jahr in Budapest am Nationalfeiertag gespielt. Im November haben wir eine ziemlich ausgedehnte Tour mit 25 Terminen, unter anderem New York, London, San Paolo. Wir spielen auch auf dem Burghausen Jazzfestival (25.03.2022). Zudem mache ich immer wieder mit Peter (Maffay) gemeinsam Musik. Auch seine verschobene Tournee wird nachgeholt werden. Wir werden sehen, auf welchen Konzertterminen konkret ich dabei bin. Zudem: Es gibt noch ein anderes Projekt, bei dem es um Musik aus den 40er bis 60er Jahren a la Frank Sinatra geht. Das wird eine echte Big Band sein. Meine letzte LP war Lucky Us aus dem Jahr 2019. Dieses Jahr habe ich eine Special Edition veröffentlicht. Das ist eine autobiographische Angelegenheit, nur mit Klavier und Orchester. Kein Schlagzeug, kein Bass, keine Rockelemente. Ist etwas für Leute, die großen Wert auf Texte legen. Für sie ist Lucky Us auch meine beste Veröffentlichung. Dieses reflektiert zudem auch meine Konzerte – nur mit Klavier – am besten.

AD: Ja, so habe ich dich solo live auch erlebt. Und das ist in der Tat eine besondere, Singer-Songwriter-orientierte Atmosphäre.

TC: Wenn ich mich definieren sollte, ist es Singer-Songwriting, mit Betonung auf die Texte. Ich lege einen großen Wert auf die Texte. Die Shows, die ich spiele, nennen sich auch „Songs and Stories“. Das ist meine Lieblingsform von Konzerten – die Songs spielen, und Geschichten dazu erzählen. Die Organisation der Konzerte ist einfach: Ich bin ein alter Hase. Ich brauche keinen Tourmanager, nur meine Frau und mein Hund sind dabei. Ich spiele überall, wo man ein Klavier stellen kann. Zudem stehen auch einige Konzerttermine in September in Norwegen an. Dort ist es jetzt die beste Jahreszeit zum Angeln – das mache ich immer, wenn ich dort bin. Aber zu den Konzerten in Norwegen: Es ist übrigens die gleiche Begleitband, wie beim Schweden Rock Festival von 2015. Die Städte (u.a. Tromsø, Kirkines) liegen nahe dem Polarkreis und sind daher wirkliche Nordics. Auch Lillyhammer und Oslo stehen auf dem Programm. Aber am meisten freue ich mich auf die gemeinsame und tolle Zeit mit meinen Kumpels. Es sind einfach herzhafte und tolle Leute.