Konzertbericht: HARTMANN, BOBBY STOKER, CHRIS BAY – Erlenbach, 09.02.2023

Line-Up
Oliver Hartmann – Vocals/Gitarre
Markus Nanz – Keyboards
Markus Kullmann – Drums
Dennis Ward – Bass

Für den Tour-Auftakt hat Oliver Hartmann erneut einen Auftritt im Beavers in Erlenbach aufgesetzt. Im Gegensatz zum Acoustic Tour Open-Air-Konzert im Sommer 2021 war diesmal im Beavers selbst deutlich mehr los. Ausverkauft leider nicht, aber für eine Veranstaltung unter der Woche konnte sich die Anzahl der Gäste sehen lassen.

Chris Bay

Bereits 15 Minuten vor offiziellem Konzertbeginn entert CHRIS BAY die Bühne, nur bewaffnet mit seiner „Happy Metal Acoustic Guitar“. Der Frontman von FREEDOM CALL bietet einen Querschnitt akustischer Versionen einiger Lieder seines Solo-Albums sowie von seiner Hauptband. Außerdem unterhält er das Publikum mit einer originellen Version von IRON MAIDENs ‘Run To The Hills’, welches er dermaßen umarrangiert hat, dass ich es nur am Text erkenne. CHRIS BAY ist eine echte Frohnatur und seine gute Laune überträgt sich schnell aufs Publikum, das seinen Spaß mit dem Auftritt hat.

Bobby Stoker

Von BOBBY STOKER hatte ich im Vorfeld absolut noch nie was gehört und die paar Sekunden, in denen ich mir gestern im Vorfeld ein Lied von ihm bei Spotify angehört hatte, haben auch keinen großen Eindruck bei mir hinterlassen. Entsprechend niedrig sind heute auch meine Erwartungen. Aber zum Glück kommt es ganz anders! Eigentlich bin ich der Blues-Allergiker vorm Herrn und die Mischung aus Rock, Blues, Hardrock, Soul und ein bisschen Funk und Metal klingt auf dem Papier für mich eher abschreckend, funktioniert auf der Bühne jedoch absolut perfekt! Schon der Opener ‘Waiting For The Night’ vereint diese erstaunliche Mischung zu mitreißender Musik. Das Lied rockt gut los und mündet in einem absolut göttlichen Refrain und einem gefühlvollen Solo von Herrn Stöcker. Im Hintergrund röhrt das Keyboard wie eine Hammondorgel und die versierte Rhythmusgruppe tut ihr Übriges zum Gelingen bei. Das kontrastreiche ‘My Destiny’ ist ein ähnlicher Knaller und lebt vom Unterschied zwischen den ruhigen Strophen und dem melodischen Chorus. Das leicht rauchige Organ von Bobby passt perfekt zur Musik.

Gerade die Refrains lassen immer wieder aufhorchen, denn hier wird sich aus Elementen der Black Music bedient. Normalerweise sind Soul und Funk so gar nicht mein Ding, aber ich hatte schon mehrfach die Gelegenheit Bands aus dem Bereich auf der Bühne zu sehen und kann zugeben, dass der Energielevel dort ähnlich hoch wie bei Rockmusik ist. Der Titelsong ‘Everglow’ seines Debütalbums aus dem letzten Jahr ist dann wirklich ein Schmelztiegel aus den genannten Stilrichtungen und überzeugt auf ganzer Linie. ‘Devil In Me’ erinnert mich etwas an die funkige Seite von Glenn Hughes, was als absolutes Kompliment zu verstehen ist. Schön dreckig und doch eingängig. So reiht sich Hit an Hit bis zum originellen Abschluss des Auftritts, dem Instrumental ‘Eye Of Horus’. Hier zollt Bobby mit orientalischen Melodien seinen ersten Lebensjahren Tribut, die er in Ägypten verbracht hatte.

Nicht nur ich war wohl sehr angetan von BOBBY STOKER, denn auch die Resonanz beim restlichen Publikum auf die Lieder wurde immer besser. Da dürfte man heute einige neue Fans gewonnen haben. Nach dem Auftritt mache ich mich gleich auf zum Merchandising-Stand, um die CD einzusacken und vom Meister höchstselbst signieren zu lassen. Auf der Scheibe sorgen übrigens Ina Morgan und Oliver Hartmann für die Backgroundchöre! Man merkt dem Musiker wirklich an, dass es ihm eine Ehre ist, mit eigenen Liedern vor so einem Publikum spielen zu dürfen und dieses seinen Spaß damit hat. Sehr bodenständig und fannah!

Hartmann

Nach kurzer Umbaupause entert Oliver HARTMANN mit seiner Band die Bühne und legt gleich mit ‘Can’t Stop This Train’ gut los. Erste Überraschung: statt Armin Donderer, der seit Bandgründung 2005 am Start ist, bedient heute Dennis Ward (MAGNUM, Ex-PC69) den Bass. Leider kann Armin aus familiären Gründen die Tour nicht mitmachen und so hat sich Dennis innerhalb einer Woche 18 Lieder draufgepackt. Respekt! Danach folgt mit ‘One Step Behind’, ‘What You Give Is What You Get’ und ‘The Gun’ ein Dreierpack des neuen

Albums. Leider ist das Publikum etwas hüftlahm und lässt sich noch nicht richtig aus der Reserve locken. Zumindest gelingt es Oliver nicht, die Zuschauer dazu zu bringen, die Lücke vor der Bühne aufzufüllen. Naja, ich schubse dann meine holde Gattin im passenden ‘Out In The Cold’-Leibchen in die Lücke, so dass es da vorne nicht ganz so leer ist und ich außerdem viel Platz zum Fotografieren aus nächster Nähe habe. Weiter geht es mit ‘Walking On A Thin Line’, ‘Don’t Want Back Down’ und ‘The Sun’s Still Rising’. In seltenen Momenten zeigen sich in den ganz hohen Lagen stimmliche Aussetzer – die in Kombination mit dem Tee, den Oliver in den Pausen zwischen den Liedern trinkt (weniger Metal geht kaum *g*) – schon die Vermutung aufkommen lässt, dass er heute mit einer Erkältung zu kämpfen hat. Aber hinterher am Merchandising-Stand klärt er auf, dass ihm ein Stück Pizza vom Catering Probleme bereitet hat.

Markus Nanz (Hartmann)

Gut gelaunt führt er mit seinen Ansagen durchs Programm und auch die anderen Musiker haben ganz offensichtlich ihren Spaß auf der Bühne. Die Grimassen des Herrn Kullmann hinter dem Schlagzeug lassen zumindest kaum einen anderen Schluss zu. Mit ‘I Won’t Get Fooled Again’ folgt dann eines meiner absoluten Highlights von HARTMANN. Aus meiner Sicht könnte er gerne mehr Lieder in dem Uptempo-Bereich spielen. Dass bei ‘Simple Man’ nicht Eric Martin zum Duett auftaucht, war abzusehen und beim Kommentar, dass Dennis Ward für den Rest der Tour diesen Part übernehmen muss, zuckt dieser überrascht kurz zusammen. Ja, sie haben wirklich ihren Spaß! Also singt Oliver das komplette Lied selbst, was natürlich auch gut klingt. Nach dem ruhigeren ‘In Another Life’ kündigt er die nächste Ballade ‘After The Love Is Gone’ an, wird aber aus dem Hintergrund von Markus Kullmann zurückgepfiffen, weil erst ‘Cold As Stone’ dran ist.

Dennis Ward (Hartmann)

So was passiert halt, wenn man seine Effektgeräte auf die Setlist stellt. ‘Don’t Give Up Your Dream’ räumt dann gut ab, bevor es mit ‘Alive Again’ zurück zum Debüt geht. Beim mitreißenden Titelsong ‘Out In The Cold’ hat Oliver dann die Zuschauer endlich soweit und zum Mitsingteil ist es auch vor der Bühne richtig voll.

Danach ist erst mal Schluss, aber die Band lässt uns nicht lange auf die Zugaben warten. Komplett überraschend geht es zurück zu seiner Zeit vor HARTMANN, als er jahrelang mit der Power-Metal-Band AT VANCE unterwegs war. Die Jungs waren damals auch berühmt-berüchtigt für ihre originellen Cover-Versionen. Unter anderem hatte man sich damals an ABBA versucht. Spontan hat man kurzfristig für die Tour ‘The Winner Takes It All’ einstudiert und verblüfft damit das Publikum. Spontan muss die Aktion wirklich sein, denn das Lied steht nicht mal auf der Setlist, die ich nach dem Konzert stibitze. Wie wäre es bei der nächsten Tour mit ‘I Surrender’? Wer regelmäßig auf Konzerte von HARTMANN geht

Markus Kullmann (Hartmann)

, wird dann vom Abschluss, einer furiosen Version von ‘Music’ von John Miles, wenig überrascht, weil dieses Lied seit Zeiten seiner Coverband SPIDER in den 90ern regelmäßig auf dem Programm steht.

Ein toller Abend findet damit ein würdiges Ende. Allen Beteiligten ist es gelungen, dem Publikum einen tolles Konzert-Erlebnis zu bescheren und die Bands haben auch prima zueinander gepasst.