MIDNITE CITY – In At The Deep End

Label
Pride & Joy
Erscheinungsdatum
23.06.2023
Tracklist
1. Outbreak
2. Ready To Go
3. Someday
4. Hardest Heart To Break
5. Good Time Music
6. All Fall Down
7. Girls Gone Wild
8. Beginning Of The End
9. Raise The Dead
10. It’s Not Me It’s You
11. Like There’s No Tomorrow
Line-Up
Rob Wylde - Vocals
Miles Meakin - Guitars
Josh Williams - Bass
Shawn Charvette - Keyboards
Ryan Briggs - Drums
Unsere Wertung
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MIDNITE CITY mixen musikalisch ein paar Zutaten von erfolgreichen Genre-Kollegen wie DEF LEPPARD (Chöre), FASTER PUSSYCAT (Stimmen-Rotz) oder JOURVIVOR (Keyboardpräsenz) und fügen letzterem noch einige Liter Kleister und Weichspüler mit blumiger, leicht abgestandener Duftnote hinzu. Optisch kommen die Engländer jedoch evil und verrucht daher wie unausgeschlafene GUNS’N’ROSES mit zerlaufener HANOI ROCKS-Schminke und schneidern ihre Promofoto-Klamotten aus den Restbeständen der letzten Altkleidersammlung. Lyrisch orientiert man sich hingegen eher an Bands wie AUTOGRAPH und besingen einen aus Mädels, Partys und Rock’n’Roll-Radios bestehenden Mikrokosmos und ein scheinbar nur an Frei- und Samstagen stattfindendes Leben (an den übrigen Wochentagen wird eingekauft, Wäsche gewaschen und Pickel ausgedrückt, aber darüber schreibt man schließlich keine Texte).

Diese Mixtur aus alten schrillen 80er Rock’n’Roll-Klischees fand für die bisherigen drei Alben nicht nur bei den Kollegen der schreibenden Zunft erstaunlich großen Anklang, sondern auch in ihrer britischen Heimat und in Japan, wo sie als „next big thing“ gelten und bereits einige Headlinertouren gerissen haben. Dieser Status soll nun mit ihrem vierten Album namens In At The Deep End untermauert werden. Obwohl MIDNITE CITY somit längst keine Newcomer mehr sind, habe ich mich bis heute ehrlicherweise kaum mit ihrem Schaffen befasst und versuche, mich möglichst wenig von dem mit sarkastischem Unterton meines ersten Absatzes beschriebenen Gesamteindruck blenden und allein die Musik wirken zu lassen. Here we go, let the music do the stalking:

Nach einem an eine Industrial-Geräuschkulisse erinnerndem Intro (`Outbreak´), eröffnet `Ready To Go´ den Songreigen mit einem fetten Gitarrenriff, das aber bereits nach wenigen Sekunden von etwas reichlich dominanten Keyboards überlagert wird. Ein sehr halliger Sound verwässert zusätzlich einen ansonsten guten und treibenden, wenn auch nicht herausragenden Hardrock-Song. Schade, dass die Gitarre für eine Rockscheibe ziemlich in den Hintergrund gemischt ist, denn das wirklich gute Solo hätte deutlich mehr Präsenz verdient.

Deutlich AOR-lastiger klingt das mit genretypischen Zutaten versehene `Someday´. Ein schöner und sehr melodischer Wohlfühlsong mit prägnantem Keyboard-Thema zu Beginn und am Ende, einem wiederum tollen Solo und einem typischen 80er-Break, mit dem die Band im Gegensatz zum Mischer gar nichts falsch macht, denn der hat leider vergessen, den Hall-Regler nach der Soundkatastrophe des vorherigen Songs herunter- und die Gitarrenspuren heraufzudrehen.

Sehr schmusig-melancholisch wird es bei `Hardest Heart To Break´, und die am Ende zu hörenden, sentimentalen `Na-na-na´ – Chöre finde ich sehr geschmackvoll. Bei einer Ballade stören viel Hall und wenig präsenter Gitarrensound naturgemäß weniger, aber auch hier finde ich das Ausmaß deutlich übertrieben. Da sich dieser Makel leider das ganze Album durchzieht, werde ich Wiederholungen vermeiden und nur am Ende nochmal darauf eingehen.

`Good Time Music´ bietet genau das, was der Titel vermuten lässt: eine gute Laune-Rocknummer, mit der sich perfekt das Wochenende einläuten lässt, während das nachfolgende ˋAll Fall Down´ eher etwas getragener daherkommt und durch tolle Chöre besticht. In beiden Songs glänzt Gitarrist Miles Meakin wieder durch filigrane und songdienliche Soli. ˋGirls Gone Wild´ bietet dann die von mir so heißgeliebten Stacatto-Keyboards – eine weitere bereits aus den seligen 80ern vertraute Zutat für melodische Hardrocksongs. Textlich natürlich ein tiefer Griff in die Klischeekiste, aber ich mag das.

ˋBeginning Of The End´ klingt wieder so, wie es der Titel vermuten lässt: eine etwas melancholische und getragene Nummer, die mit schönen Melodien gefüllt ist, insgesamt aber etwas unspektakulär bleibt. ˋRaise The Dead´ ist dagegen deutlich metallischer und beginnt mit einem bedrohlichen, nach einem Zombie-Festmahl klingenden Kurzintro, womit auch dieser Songtitel akustisch passend umgesetzt wurde, auch wenn es für mich nicht das Album-Highlight ist. ˋIt’s Not Me, It’s You´ ist dann die zu erwartende zweite Ballade, bei der mir das Gitarrensolo wieder eine Gänsehaut verpasst – der Mann gehört definitiv zu den Besten seines Fachs! Das Ende des Albums nennt sich ˋLike There’s No Tomorrow´, handelt von sportlichen Kopulationsfantasien in einer vom Autor ersehnten Intensität, als ob es kein Morgen gäbe, und rockt dementsprechend.

Fazit: MIDNITE CITY haben gute bis sehr gute Songs und einen überragenden Gitarristen am Start, sodass ich das Album jedem ans Herz lege, der mit gemäßigtem Hairmetal und deutlichen AOR-Anleihen etwas anfangen kann und keine Scheu vor triefenden Klischees und ebenso triefenden Keyboardkleister hat. Letzterer ist für mich persönlich jedoch des Guten deutlich zu viel, denn der Albumsound enthält auch noch viel zu viel Hall und geht mir schnell auf den Senkel. Dies ist umso verwunderlicher, weil kein geringerer als der Grammy-dekorierte Chris Laney als Produzent im Studio das Sagen hatte, und der hat auch für meine Hörgewohnheiten u.a. mit EUROPE, CRASHDIET oder CRAZY LIXX tolle Werke betreut. Vielleicht tue ich ihm auch Unrecht und der zumindest auf meinen Promo-Dateien vorhandene Sound ist eher beim Mixen und Mastern entstanden. Wer auch immer das verbrochen hat, ist für die trotz der sehr guten Bandleistung letztendlich doch nur 70% verantwortlich, die ich diesem Album am Ende geben kann.