159. ZENO – s/t

Dass mein jüngeres Ich dieses Album kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1986 gekauft hat, grenzt schon fast an ein Wunder. Denn zwei Jahre vorher hatte ich mich zwar endgültig mit dem Hardrock- und Metal-Virus infiziert, mein musikalischer Weg führte allerdings von den SCORPIONS und DEEP PURPLE über IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST und diversen Gruppen aus Amerika, hin zu Bands wie METALLICA (die waren mal wirklich heavy), OVERKILL, KREATOR und Konsorten. Umso dankbarer bin ich heute meinem jüngeren Ich, dass dieses neugierig genug war, nach einem sehr euphorischen Review im damaligen Leitmedium (Metal Hammer  – ich glaube das Review war von Olli Klemm) in diese Platte mit dem irgendwie merkwürdigen, aber auch ikonischen Cover reinzuhören.

Obwohl ich die Musik damals tatsächlich für grenzwertig soft hielt, hatte mich das Album doch sofort vom ersten Ton an in seinen Bann gezogen. Der Opener ‘Eastern Sun’ mit seinen leicht fernöstlichen Einflüssen klang gleichsam vertraut und doch völlig anders als vergleichbare Gruppen. Die Melodien und Harmonien auf dem Album können und müssen nur mit dem Begriff “überirdisch” beschrieben werden. Neben der sehr geschmackvollen Leadgitarrenarbeit von Jochen “Zeno” Roth muss ich an dieser Stelle unbedingt auch die überaus originelle Rhythmusarbeit des Namensgebers nennen. Aber auch die begnadete Bassarbeit von Ule Ritgen (später mit dem ZENO Kurzzeitsänger Tommy Heart in FAIR WARNING tätig) soll hier explizit als meisterhaft gewürdigt werden.

Für den Bereich des melodischen (Hard-) Rocks/AOR ist darüber hinaus natürlich unerlässlich, dass die Songs von einer Stimme getragen werden, die die Melodien mit Leben und Seele füllen kann. Und so ist es auch der einzigartigen Stimme von Michael Flexig zu verdanken, dass jedes Lied auf dem Album ein absoluter Klassiker geworden ist. Es ist extrem selten, dass Alben ohne Schwachpunkte veröffentlicht werden. Das ZENO-Debut ist so ein rarer Schatz. Denn egal ob die Nadel (oder der Laser) über die Hits (in einer gerechten Welt wären sie genau DAS geworden) ‘A Little More Love’, ‘Emergency’ oder ‘Signs On The Sky’ gleitet, oder die ruhigeren ‘Love Will Live’, ‘Don’t Tell The Wind’ und ‘Heart On The Wing’ über die Ohren aufgenommen die Seele erquicken – jedes Lied dieses Meisterwerks zaubert ein Lächeln auch auf das miesepetrigste Gesicht.

In meiner Welt ist dieses Album das mit Abstand beste AOR-Album aller Zeiten und damit natürlich meine persönliche Nummer 1. Als Zeno Roth im Jahr 2018 verstarb, verstarb damit auch meine Hoffnung er könnte ein solches „musikalisches Monster“ noch einmal erschaffen. Denn obwohl alle ZENO-Alben hochklassig sind, konnte doch keines der späteren Werke ZENOs mit diesem Album ernsthaft konkurrieren.

Als ich von Zeno Roths Tod erfuhr legte ich natürlich als erstes dieses Album auf. Als dann in ‘Don’t Tell The Wind’ die Zeilen “Drifting With The Wind, Longing For Some Rest“ erklangen bemerkte ich, dass da etwas Feuchtes an meiner Backe herabkullerte. Lieber Jochen “Zeno” Roth, Ruhe In Frieden und vielen Dank für diese außergewöhnlich wunderbare Musik!