194. JOURNEY – Revelation

Eines vorweg: Ich zähle definitiv nicht zu denen, die den endgültigen Ausstieg von Vocalkönig Steve Perry anno 1998 immer noch beweinen und die Band um Gitarrist Neal Schon seitdem keines Blickes mehr würdigen. Natürlich hat die Truppe spätestens mit Escape (1981) das Genre maßgeblich mitdefiniert, trotzdem erschien mir Perry’s Stimme, bei aller technischen Klasse, immer etwas zu brav und vor allen Dingen zu hoch.

Richtig schätzen gelernt habe ich die Herrschaften tatsächlich erst seit dem Einstieg von Steve Augeri 1998, dessen Studiodebüt Arrival (2001) ich immer noch für eine kleine Genreperle halte. 2006 war auch Augeri Geschichte, und kurzzeitig hatten nicht wenige Anhänger mit dem definitiven Ableben der einstigen Superstars gerechnet. Mit dem überraschenden Einstieg des aus Manila stammenden und bis dahin völlig unbekannten Arnel Pineda, den Gitarrist Neal Schon zufällig auf YouTube entdeckt hatte als Pineda alte JOURNEY-Klassiker mit seiner Tribute-Band zum Besten gab (im übrigen filmisch im empfehlenswerten Streifen “Don`t Stop Believin`- Everman`s Journey” sehr unterhaltsam dokumentiert), und dem ersten gemeinsamen Album Revelation fing dann auch bei mir endlich die bedingungslose Liebe zu dieser Band an.

Zwar in ähnlichen Stimmlagen wie Perry unterwegs, wenn auch bei weitem nicht so aufdringlich wie eben jener, unterzog er die Truppe einer Frischzellenkur sondergleichen und impfte dem Ganzen quasi im Vorbeigehen noch ein gehöriges Stück Eigenidentität ein. Der flotte Opener ‘Never Walk Away’ gibt die Marschrichtung stellvertretend vor: So motiviert hatte die Band lange nicht geklungen. Schon lässt seine unverkennbaren Gitarrenlicks erklingen, während der Refrain einen gleich beim ersten Durchlauf mitzunehmen weiß. Dass Balladen seit jeher eines der Steckenpferde der Jungs waren dürfte bekannt sein, was ‘After All These Years’ wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellt. Eingeleitet durch wunderschöne Keyboard/Pianoparts von Jonathan Cain und ergänzt durch ein herausragendes Gitarrensolo, steigert sich der Song bis hin zum grandiosen Finale in beispielloser Weise und untermauert die These, dass Arnel Pineda einfach ein absoluter Meister seines Fachs ist. Und wenn man mit den beiden reinrassigen AOR-Nummern ‘Where Did I Lose Your Love’ und ‘What It Takes To Win’ mal eben zwei der stärksten Tracks der gesamten Karriere komponiert hat, dann hat man in jeder Hinsicht einfach alles richtig gemacht.

Auch bei der Wahl des Produzenten hat man in Kevin Shirley einen wahren Glücksgriff getätigt. Der ansonsten höchst umstrittene Knöpfchendreher – man denke nur an die letzten Alben von IRON MAIDEN – bettet den Sound in ein warmes, transparentes und äußerst passendes Klanggewand und dürfte mit der Scheibe wohl seine mit Abstand beste Arbeit abgeliefert haben. Es mag unpopulär sein, aber für mich stellt Revelation, gleichauf mit dem Nachfolger Eclipse (2011), DIE Essenz in Sachen Studioalben in einer an Highlights wahrlich nicht armen Diskographie dar.

Wer war dieser Steve Perry nochmal?