196. CRAAFT – s/t

Als Teenager freute ich mich immer, wenn sie in meiner Stammdisko (ja, seinerzeit durfte man noch “Disko” sagen) den Song ‘Tokyo’ von den SCORPIONS spielten, wurde ich doch damals durch Klaus Meine und ‘Rock You Like A Hurricane’ zum Nachwuchsbanger. Erst später, nachdem ich erfolglos  den Tonträger der Hannoveraner suchte, auf dem der Track enthalten ist, erfuhr ich, dass dieser Hit nicht von den giftigen Krabbeltieren, sondern von der gleichnamigen Band TOKYO aus Frankfurt stammt. Naja, immerhin hatte ich den deutschen Akzent richtig zugeordnet. Sänger von TOKYO war Klaus Luley, welcher nach 3 Alben der japanischen Hauptstadt den Rücken kehrte um seine eigene Band CRAAFT zu gründen.

Zusammen mit Franz Keil (Keyboards) und Reinhard Besser (Bass, Gitarre), welcher gerade von einer US-Tour mit Tony Carey nach Frankfurt zurückgekehrt war, arbeitete man die ersten Songideen aus und produzierte in Bessers Studio 1984 die ersten Demos, welche später professionell in New York zusammen mit Steve Buslowe (MEAT LOAF, Bass) und Schlagzeuger Sandy Gennero (u.a. Cindy Lauper) aufgenommen wurden. 1986 erschien das Debüt und sorgte sofort für allgemeine Begeisterung. Anders als die seit Love At First Sting auch in Deutschland durchstarteten SCORPIONS setzte man weniger auf kernigen Hardrock, sondern auf eine mainstreamige Mischung aus Melodicrock und AOR.

Hört man sich die Scheibe heute an, ist es kaum verständlich, warum mit dieser Sammlung an Hits nicht sämtliche Charts im Vorbeigehen aufgerollt wurden. Schon der Einstieg mit ‘I Wanna Look In Your Eyes’ geriet mit seiner eingängigen Keyboardmelodie und dem tollen Refrain zu einem Hit, den man nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Die nachfolgenden ‘Breakin’ Walls Ain’t Easy’ und ‘Hold On’ sind dann mit das Beste was in diesem Genre jemals aus Deutschland kam.

Die übrigen Tracks fallen kaum ab und leben in erster Linie von den hochmelodischen Refrains, was vor allem ‘Don’t Wanna Wait No More’ und ‘Waisted Years’ zu kleinen vergessenen Perlen des deutschen Hardrocks machen. Ja, CRAAFT können und wollen Ihre Herkunft nicht leugnen und klangen schon sehr teutonisch. Vielleicht war das auch mit der Grund, warum der ganz große Erfolg ausgeblieben ist, obwohl die Zeichen auf Sturm standen, da man unter anderem begehrte Supportrollen für BON JOVI, GARY MOORE und sogar QUEEN ergattern konnte.

Nach insgesamt 3 Alben (Second Honeymoon 2 Jahre später geriet fast genauso gut wie das Debüt) war dann Schluss. Klaus Luley veröffentlichte 2012 noch ein Soloalbum, das aber qualitativ nicht mehr an die beiden ersten CRAAFT-Scheiben heranreichte.

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