217. PRIDE OF LIONS – s/t

2002 inspirierte der Frontiers-Chef Serafino Perugino Jim Peterik mit der Idee, mal wieder klassischen Melodic Rock im Stil seiner alten Band SURVIVOR zu machen. Peterik machte sich daraufhin auf die Suche nach einem passenden Sänger. Dabei stieß er auf den damals völlig unbekannten 25-jährigen Toby Hitchcock, den seine Nichte anschleifte. Peterik ist 28 Jahre älter und entsprechend erinnert es bei den beiden ein bisschen an eine Vater-Sohn-Beziehung. Zusammen mit diversen Gastmusikern, die zum größten Teil mit Peterik bei seinem World Stage-Projekt zusammengearbeitet hatten, wurde das Debüt eingespielt.

Natürlich muss sich so ein Album mit den SURVIVOR-Großtaten messen lassen. Dabei kann man nur feststellen, dass Sullivan ohne Peterik eher nichts ist (siehe den Flop Reach), während Peterik auch ohne Sullivan zu Höchstform aufläuft.

Auffälligstes Merkmal ist der Gesang auf der ganzen Scheibe, denn hier wird fast alles im Duett von Hitchcock und Peterik gesungen. Während Peterik eher der klassische Rocksänger ist, klingt Hitchcock ziemlich musicalmäßig mit viel Pathos in der Stimme. Dabei erinnert er mich am ehesten an Dennis DeYoung von STYX.

Schon der flotte Opener ‚It’s Criminal‘ ist eine wahre Hymne im SURVIVOR-Stil. Was wenig wundert, denn das Lied basiert auf einer Komposition, die 1984 für Vital Signs angedacht war, aber unter den Tisch fiel, weil der Produzent Ron Nevison der Meinung war, sie hätten schon genügend starke Lieder beisammen. ‚Gone‘ schraubt das Tempo etwas herunter und ist laut Peterik von der RAINBOW-Phase mit Joe Lynn Turner beeinflusst. Der Chorus ist die pure Magie und man hört, was in Hitchcock steckt. Mit ‚Interrupted Melody‘ steht die erste Ballade an, perfekt zugeschnitten auf Toby‘s Organ. Das Lied geht auf die Songwriting-Sessions zu SURVIVORs Too Hot To Sleep zurück. ‚Sound Of Home‘ ist ein AOR-Knaller in Reinkultur und lebt besonders vom Wechselgesang der beiden. ‚Prideland‘ ist für Peterik der „theme song“ der Band, mir persönlich fehlt hier der markante Chorus. Das Lied plätschert eher unspektakulär an mir vorbei. Wer bisher ein Lied vermisst hat, das für einen Rocky-Film tauglich ist, wird garantiert bei „Unbreakable“ fündig. Genau das Richtige, um sich dabei Stallone vorzustellen, wie er im Ring einen Gegner verdrischt. Da ist ja schon alleine der Name Programm! ‚First Time Around The Sun‘ hat danach eine leichte Funk-Schlagseite und erinnert mich dabei immer an TOTO. Die fetzige Bridge ist richtig originell und hebt sich extrem vom balladesken Beginn ab. Eine sehr außergewöhnliche Nummer, die wirklich keine 0815-AOR-Kost bietet und bei mir erst über die Jahre richtig gewachsen ist. ‚Turn To Me‘ ist dann Uptempo-SURVIVOR pur, wie man es kennt. Das gibt Peterik auch in den Linernotes unverblümt zu. Perfektes Futter für die Zielgruppe. Naja, vielleicht ist das ausufernde Gitarrensolo am Schluss zu viel für den einen oder anderen. Ich finde es passend. ‚Madness Of Love‘ bietet danach wieder Zeit zum Verschnaufen – Balladen-Zeit. Wobei die Instrumentale Abfahrt im Mittelteil dann gar nicht mehr zur typischen AOR-Ballade passt. Auf der Bühne dürfte das Lied richtig zur Improvisation einladen. Was für eine Meganummer. Der Beginn ist eher unspektakulär, aber dann geht es richtig ab. Das kennt man von SURVIVOR dann eher doch nicht und zeigt, dass es Peterik nicht darum ging, sich komplett an bekannte Erfolgsrezepte seiner alten Band anzuhängen, sondern auch einen eigenständigen Weg zu gehen. ‚Love Is On The Rocks‘ war der erste Song, den die Band aufnahm und war auch gleichzeitig so etwas wie die Aufnahmeprüfung von Hitchcock, ob er zum Konzept, das Peterik für PRIDE OF LIONS vorschwebte, überhaupt passte. Stimmlich passte es wohl auf jeden Fall, das Lied selbst ist eher gehobene AOR-Durchschnittsware. Das gleiche Prädikat würde ich auch der Ballade ‚Last Safe Place‘ verpassen, wenn nicht der überragende Gesang von Hitchcock das Lied dann doch zu etwas Besonderem machen würde. Aber einen gewissen Hang zum Kitsch muss man doch haben, um das Lied toll zu finden. Das Beste hat man sich für den Schluss aufgehoben, denn das kleine Epos ‚Music And Me‘ wechselt munter zwischen den Stilen, bietet reichlich Bombast, hat einen herrlichen Spannungsbogen und wohl den besten Chorus des ganzen Albums. „Music is the language of my soul“ – treffender hätte man es nicht ausdrücken können.

Mission gelungen. Jim Petrik hat nach seinem Split von SURVIVOR im Jahr 1996 wieder eine AOR-Band am Start, die die Trademarks dieser Band fortführt, aber genügend Eigenständigkeit besitzt, um nicht als ein reiner SURVIVOR-Abklatsch durchzugehen. Und so was wie ‚Music And Me‘ oder ‚Madness Of Love‘ wäre wohl mit Sullivan nicht möglich gewesen. Dazu kommt noch die Stimme von Goldkehlchen Toby Hitchcock, die auch durchschnittlichere Nummern nach oben reißt. Ein absolutes Erlebnis war dann der Auftritt auf dem United Forces Of Rock 2005, denn sonderlich oft gab es die Truppe bisher nicht auf den Bühnen dieser Welt zu sehen.