218. WHITE WIDDOW – Silhouette

Die Australier WHITE WIDDOW sind für mich eine der besten AOR-Bands der letzten 10 Jahre und zugleich irgendwie auch die AOR-Brüder von AC/DC. Die Bruderschaft bezieht sich nicht auf die australische Herkunft, sondern – bevor man mit dem Songwriting fürs nächste Album anfängt, weiß man bereits, wie das Ergebnis klingen wird. Bei AC/DC fängt die Musik mit Chuck Berry an und hört mit Elvis auf. Bei WHITE WIDDOW sind es ROXUS, SURVIVOR und BON JOVI (die erste und die 7800 Fahrenheit), die den stilistischen Breitengrad vorgeben.  So wie die Alben High Voltage, Dirty Deeds, Let There Be Rock und Powerage alle gleich gut, aber irgendwie auch einander ähnlich sind, gleichen sich ebenfalls WHITE WIDDOWs selbstbetiteltes Debüt, sowie Serenade, Crossfire, Silhouette und Victory. Das rockige Silhouette ragt da für mich ein wenig heraus und stellt vielleicht das rundeste Album der Australier dar.

Die Erfolgsformel der Jungs ist stets identisch und simpel: man zollt sowohl den 80ern als auch den frühen 90ern großen Respekt – natürlich unter Rücksicht auf die heutigen Hörgewohnheiten. Knackig und auf den Punkt gebracht. Experimente, Schnickschnack und eine Neuerfindung des AOR sind hier nicht das Ziel – und das ist genau der Punkt, an dem sich die Geister streiten. Mein Blick aus der Fanbrille stellt sich folgendermaßen dar:

Für manchen mag die (nach unten) wenig ausgeprägte qualitative Schwankungsbreite ein Mangel an Kreativität sein, für mich ist es dagegen ein Zeichen gleichbleibender Qualität. Man mag von den Titelnamen ‚Last Chance To Love‘, ‚Wild At Heart‘ oder ‚Game Of Love‘ halten was man will, aber die Glaubwürdigkeit nehme ich den Jungs einfach ab. Die Keyboardklänge, insbesondere in ‚Living For The Night‘ oder ‚Smile For The Camera‘ mögen für den weniger wohlgesonnenen Hörer etwas ‚kasig‘ bzw. ‚80er-like‘ rüber kommen und sind sicher Geschmackssache. Für mich versprühen die jedoch den Spirit von SURVIVOR (‘Jackie Don’t Go‘, ‚Popular Girl’‚ ‘Oceans‘). Es wird auch Kitsch produziert, aber eben Kitsch mit Klasse (Beispiel: das tolle ‘Damage is Done‘). Das Songwriting und die Gitarrenarbeit sind dagegen nicht an SURVIVOR, sondern eher an Night Street von ROXUS (vgl. ‚Waited‘ und ‚Sleeping With Enemy‘ mit ‚Stand Back‘ und ‚First Break Of The Heart‘) angelehnt. Ebenfalls erwähnenswert sind die Vocals – die angenehme Stimme von Jules Milles erinnert mich an die von Juno Roxas, aber auch an die von Jani Lane.

Bei all seiner Eingängigkeit wird das Album nicht langweilig. Ist es nicht ein Zeichen der Substanz?

Zusammengefasst: Wer ein Reinhören wagt, entdeckt ein herrlich unmodisches, aber auch ein absolut authentisches und verdammt gut produziertes Album (kurz: hochwertiger AOR poppiger Prägung), das einfach gute Laune verbreitet.

Ach ja, folgendes noch: Wer nicht glaubt, dass ‚Wild Child‘ von W.A.S.P. nicht nur ein Metalklassiker sondern auch eine absolut geniale AOR-Hymne ist, der sollte mal in die Japan-Edition von Silhouette (Bonustrack: ‚Wild Child‘) reinhören.