TONY CAREY – Blue Highway (1985)

Label
MCA Records
Erscheinungsjahr
1985
Tracklist
1. We Wanna Live 4:19
2. She Moves Like a Dancer 4:02
3. Live Wire 4:44
4. 10,000 Times 4:08
5. Tear Down the Walls 3:49
6. Blue Highway 4:35
7. Love Don't Bother Me 3:59
8. Katy Be Mine 4:18
9. Like a Rock 4:11
10. Out of Town Woman 3:45
Line-Up
Tony Carey: vocals, bass, keyboards, guitars
Carl Carlton: guitars
Andy Becker: guitars
Bertel Enge:l drums
Mark Aubin: backing vocal
Jimmy Barnes: backing vocals
Unsere Wertung
95
95

Für mich war TONY CAREY schon immer ein toller Sänger mit einer ausdrucksstarken Stimme und exzellenter und vielseitiger Songwriter. Zudem auch ein guter Produzent (der in den 80er Jahren auch kommerziell erfolgreich war). Seine Qualitäten als Musiker sind mir erst viel später deutlich geworden. Lustigerweise habe ich auch erst Jahre danach erfahren, dass er unter anderem auf Rising von RAINBOW zu hören ist. Beziehungsweise, dass es auch sein Keyboardspiel ist, das Rising zu etwas Besonderem macht. Für mich ist die Reduktion seiner Person auf den ‚der mal bei RAINBOW war‘ oder auf seinen Hit ‚A Room With A View‘, trotz der Klasse seines musikalischen Solo-Outputs, nicht gerechtfertigt. Die verdiente Anerkennung für seine musikalische Leistung erhielt er aus verschiedenen Gründen nicht. Unter anderem ist dafür der Zeitgeist, schlechtes Management, aber auch sein Lebensstil verantwortlich.

Aus der AOR-/bzw. Melodic Rock-Perspektive sind seine Solo-Alben zwischen I Won’t Be Home Tonight und Bedtime Story am interessantesten. Blue Highway stellt dabei das Highlight dieser Carey-Phase dar.

Wie auf dem Vorgängeralbum Some Tough City (Ausnahmesong mit dem tollen Video: ‚A Fine, Fine Day‘) setzt man auf Blue Highway auf eingängige, hochmelodische und hitverdächtige Songs. Diese sind AOR in Reinkultur, gelegentlich angereichert um eine hörbare Pop- und Westcoast- Prise. Des Öfteren ist ebenfalls ein Heartland-Rock-Hauch herauszuhören.

Die ersten 4 Songs – das rockige ‚We Wanna Live‘, das smoothe und mit der Slide-Gitarre glänzende ‚She Moves Like A Dancer‘, das unorthodox komponierte, dennoch eingängige ‚Live Wire‘ sowie das hochmelodische‘ 10.000 Times‘ sind richtige Hits. Nicht zu vergessen ist der atmosphärische Titelsong, der seine Wirkung am effektivsten in einer Clubatmosphäre entfaltet. Ich erinnere mich noch allzu gut an das tolle Konzert im Frankfurter Das Bett, am 14.3.2014, bei dem der Altmeister in einer intimen (vor ca. 20 Konzertbesuchern) a la Piano-Man Atmosphäre auftrat. TONY CAREY präsentierte an dem Abend die Highlights seiner Karriere – auch den Titelsong – mitsamt den Geschichten um die Songs. In der zweiten Albumhälfte ist das auf den ersten Blick unscheinbare ‚Love Don’t Bother Me‘ versteckt. Bei genauem Hinhören entpuppt sich der Song als ein treibender Ohrwurm per Excellence – vor allem wegen seinem tollen Bass. Die übrigen, nicht genannten Songs (beispielsweise das hymnische ‚Like A Rock‘), sind ebenfalls, trotz ihres Pop-Appeals, weit vom Mittelmaß entfernt.

Die musikalische Umsetzung des Albums lässt ebenfalls keine Wünsche offen. Wieder einmal werden die multiinstrumentalen Fähigkeiten von TONY CAREY deutlich, der neben Keyboards und Vocals (Backing Vocals bei 4 Songs: Jimmy Barnes) sich ebenfalls für Bass und die Gitarre verantwortlich zeichnet. Glänzen können auch seine Mitstreiter Carl Carlton und Betram Engel (beide: Peter Maffay Band). Da Tony Carey ein Jahr später (auch da der Erfolg der Solokarriere keinen synchronen Gleichlauf mit der Klasse der Soloalben hatte) selbst ein (semi-) offizielles Mitglied der Peter Maffay Band wurde, kann bei Blue Highway indirekt auch von einem Peter Maffay-Album (das nur nicht nach Peter Maffay klingt) gesprochen werden.

Wie bereits angedeutet, im Gegensatz zu den AOR-üblichen Herz-Schmerz-Lyrics, bestreitet TONY CAREY (übrigens nicht nur auf Blue Highway) etwas textlich andere Pfade, die in Richtung Singer-Songwriter gehen (Vergleichsgröße: JOHN COUGAR, teilweise auch: BRYAN ADAMS) und autobiographische Themen behandeln. Dies hebt das Album von der Masse ab und wertet es zusätzlich auf.

Mag eine Vielzahl der AOR/Melodic Rock-Alben aus Deutschland typisch ‚deutsch‘ klingen, trifft dies auf Blue Highway nicht zu. Es besitzt internationales Format – es wurde im legendären Studio Hotline Studios (Frankfurter Nordend) aufgenommen, durch den legendären Peter Hauke (WHITE LION, NEKTAR, SUPERMAX) exzellent und heute noch sehr gut hörbar produziert. Durch die Ironie des Schicksals, habe ich, der mit seiner Musik groß geworden ist, mehrere Jahre lang nur wenige Häuser entfernt vom Aufnahmeort des Blue Highway gewohnt. Der Tontechniker war der legendäre Nigel Jopson (u.a. PINK FLOYD, WHITE LION, WHITNEY HOUSTON, JOE COCKER).

Bevor Blue Highway (als CD) im Jahr 2008 und 2018 nochmal neu aufgelegt wurde, war es eine gesuchte Rarität. Gegenüber der Originalauflage ist bei der Neuauflage bis auf die Länge des Booklets (beim Original: doppeltbedrucke Seite) jedoch kein größerer Mehrwert festzustellen. Daher ist gegebenenfalls eine preiswertere Alternative (Original oder Neuauflage) empfehlenswert.  Physische Verfügbarkeit ist derzeit fraglos gegeben – als CD um 10 EUR, als Original LP unter 10 EUR.