WIG WAM – Out Of The Dark

Label
Frontiers
Erscheinungsdatum
10.02.2023
Tracklist
1. Out Of The Dark
2. High N Dry
3. Forevermore
4. Bad Luck Chuck
5. Uppercut Shazam
6. Ghosting You
7. The Purpose
8. The American Dream
9. 79
10. God By Your Side
11. Sailor And The Desert Sun
Line-Up
Åge Sten Nilsen (Glam): Vocals
Trond Holter (Teeny): Guitars
Bernt Jansen (Flash): Bass
Oystein Andersen (Sporty): Drums
Unsere Wertung
73
73

Als bekennender Fan der Norweger WIG WAM war ich natürlich sehr gespannt auf ihr neues Album, das unter ganz anderen Vorzeichen steht als das eigentlich nur als einmalige Angelegenheit geplante Comeback-Album Never Say Die aus 2021. Anfang 2022 hat der für die Ami-TV-Show „Peacemaker“ verwendete Song `Do Ya Wanna Taste It´ vom bereits 2010 erschienenen Album Non Stop Rock´n´Roll nämlich für einen deutlichen Anstieg der Erfolgskurve in den derzeit veruneinigten Staaten von Amerika gesorgt.

Dies ist durchaus bemerkenswert, denn lebensfroher, partykompatibler Hardrock (manchmal auch verächtlich „Hairmetal“ genannt) war zwischen den Debütalben von MÖTLEY CRÜE und NIRVANA vor allem eine nordamerikanische Domäne, ist seitdem dort aber mousedead und wird neben den inzwischen oftmals ergrauten und kurzhaarigen Überlebenden dieser Zeit allenfalls noch von der Persiflage-Band STEEL PANTHER gespielt, welche die Absurditäten dieser Ära mit völlig überzeichneten, testosteron-geschwängerten und haufenweise Cocks und Pussies enthaltenen Gaga-Texten derart auf die Spitze treiben, dass selbst die Me2-Bewegung keinen Bedarf für Proteste sieht. Auch WIG WAM ist eine ähnlich augenzwinkernd-charmante Selbstironie zu eigen – zwar ohne die debil-pubertären Kicherlyrics, dafür aber anfangs mit Federboa – und waren etwa zur gleichen Zeit Anfang der nuller Jahre am Start.

Da CD-Verkäufe inzwischen – 20 Jahre später –  jedoch nur noch wenig Erträge bringen und auch im kleineren Rahmen organisierte Livekonzerte nach der Pandemie ein zunehmend unkalkulierbares Risiko für Veranstalter sind, mag es der Band wohl niemand verdenken, dass die gestiegene Nachfrage aus Übersee jetzt mit dem neuen, meinem Empfinden nach mehr auf den nordamerikanischen Markt zugeschnittenen Album Out Off The Dark bedient wird.

So fällt denn die Produktion noch moderner und noch einen Zacken härter aus als beim Vorgänger, was mich nach dem ersten Höreindruck doch etwas irritiert hat und ein Review in einem auf AOR spezialisiertem Webmag zumindest grenzwertig erscheinen lässt. Bereits beim zweiten Durchlauf offenbaren sich jedoch vereinzelt die typischen Trademarks, die WIG WAM zu einer meiner Lieblingsbands machen: eingängige, hymnenhafte Hooklines, die unverwechselbare Stimme von Åge Sten Nilsen (aka Glam) und die überragende Gitarrenarbeit von Trond Holter (Teeny). Auch die grandiose Rhythm-Section mit Bernt Jansen (Flash) am Bass und Oystein Andersen (Sporty) an den Drums verdient unbedingt eine Würdigung: wer die beiden (wie ich beim Indoor Summer – Festival in Hamburg im September letzten Jahres, sh. Konzert-Review) einmal live erlebt hat, weiß um die mit unübertroffener Coolness dargebotenen Fähigkeiten dieses Gespanns.

`Out Of The Dark´ eröffnet das Album dann auch bretthart mit überwiegend in Moll gehaltenen Akkorden und einem Break, dass an `Balls To The Wall´ incl. der Ooh-Ho-Ho- Chöre erinnert. Guter Song, aber etwas sperrig für das, was man von den Norwegern sonst gewohnt ist. `High N Dry´ rockt dann wieder fröhlicher daher und hat auch wieder diese im besten Sinne penetrante Hookline, wie sie WIG WAM auf ihren ersten Alben ebenso gekonnt wie häufig zelebriert haben. Zwischendurch gibt´s dort sogar mal Pianoklänge zu hören – cool!

Mit `Forevermore´ wird´s dann nordisch-folkig, was in etwa so klingt wie eine hardrockige Version von SANTIANO, was ich durchaus als Kompliment verstanden wissen will, denn dieser Song ist mein persönliches Album – Highlight. `Bad Luck Chuck´ ist dann wieder durch und durch augenzwinkernde und hooklinende WIG WAM, bevor mit `Uppercut Shazam´ erneut eine heftige Klampfenkeule geschwungen wird. `Ghosting You´ besticht durch opulente Chöre, worauf mit `The Purpose´ die erste Ballade folgt, die sich im weiteren Verlauf als getragene Power-Hymne entpuppt. Schade, dass der einmal mehr tolle Chor am Ende des Songs nicht noch mindestens eine Minute länger ausgekostet wird. Klasse! `The American Dream´ legt dann einen ordentlichen Zahn zu, geht mir persönlich aber weniger geschmeidig ins Ohr.

Mit `79´ folgt dann das übliche Instrumental, das zu einem WIG WAM – Album gehört wie norwegische Seriensiege bei der nordischen Ski-WM. Gitarrenhero Trond Holter kann sich in bester Gary Moore-Manier austoben und macht dies mit einer Spielfreude, die man aus jedem Ton heraushört. Auf `God By Your Side´ hätte ich gut und gerne verzichten können, denn der Song ist überraschend unmelodisch, und nur das erneut tolle Gitarrensolo rettet ihn noch so gerade vor der Skip-Taste.

Mit `Sailor And The Desert Sun´ beschließt dann ein Stampfer mit leicht orientalischer Melodie ein Album, an das sich Fans der ersten Stunde sicher etwas gewöhnen müssen, denn WIG WAM klingen anno 2023 deutlich „erwachsener“ und haben sich hörbar entwickelt – ob dies gefällt, ist letztendlich Geschmacksache. Mir persönlich fehlen herausragende Hits wie `Car-Lyle´, `Chasing Rainbows´ oder auch `Kilimanjaro´ vom Vorgänger, und auch die modernere Produktion kostet ein paar Abzüge in der B-Note. Es tut mir fast ein bisserl weh, nicht mehr als 73% vergeben zu können, obwohl dies nun beileibe keine schlechte Benotung ist. Trotzdem wird auch Out Of The Dark in meinem Schrank stehen, denn zum einen sind WIG WAM dem Jäger und Sammler in mir zu wichtig und zu sympathisch, um auf das Komplettwerk zu verzichten, zum anderen werden mindestens meine Anspieltipps `Forevermore´ und `High N Dry´ in meiner persönlichen Playlist der Band ihren Platz haben.

Lenge leve WIG WAM – hyggelig at du fortsatt er i nærheten!

  1. 75
    Wig Wammunition?

    Ich sehe es ähnlich wie Ulle. Das Album hat seine Stärken, wirkt aber im Vergleich zu sämtlichen Vorgängern zu verspielt um an alte Glanzzeiten anzuknüpfen. Mich erinnert “Out Of The Dark” teilweise eher an AMMUNITION, Åges Spielwiese als WIG WAM pausierten – ohne aber die Qualität deren beider Outputs zu erreichen.