DURAN DURAN – Future Past

Label
BMG
Erscheinungsdatum
22.10.2021
Tracklist
1 Invisible 3:11
2 All Of You 4:05
3 Give It All Up 5:07
4 Anniversary 5:18
5 Future Past 3:52
6 Beautiful Lies 3:36
7 Tonight United 3:07
8 Wing 5:19
9 Nothing Less 4:25
10 Hammerhead 3:33
11 More Joy! 3:39
12 Falling 5:47
Line-Up
Simon Le Bon – vocals
Nick Rhodes – keyboards
John Taylor – bass
Roger Taylor – drums
Unsere Wertung
85
Leserwertung1 Bewertung
81
85

Hand aufs Herz – DURAN DURAN begleiten mich musikalisch seit vielen, vielen Jahren. Auch wenn mich nicht jedes Experiment der Band überzeugt (Medazzaland, Red Carpet Massacre oder Paper Gods), rechne ich die Weiterentwicklung der Band hoch an und fiebere jeder Neuerscheinung von DURAN DURAN nach wie vor entgegen.

Die bloße Schublade „New Romantics“ und ‚Wild Boys‘ wird DURAN DURAN nicht gerecht, vor allem auf Grund der Stilvielfalt und der Vorreiterrolle der Briten. Sie machen den feinsten Power-Pop mit Drive und AOR-Elementen (Debüt von 1981/RIO), Funk (‚Notorious‘), und was viele gar nicht wissen, sogar Hard Rock (‚First Impressions‘). Außerdem gibt es mit dem Wedding Album das phänomenale Comeback, das mit seinem Appeal der Brit Pop-Bewegung Mitte-/Ende der 90er-Jahre voraus war.

DURAN DURAN machen Musik nicht aus finanziellen Gründen. Mit über 100 Mio. weltweit verkauften Tonträgern und den Tätigkeiten der Bandmitglieder in anderen Geschäftsfeldern (Immobilien, Sport, Gastronomie, Kosmetik, etc.) hat man längst finanziell ausgesorgt.

Nun, 40 Jahre nach dem Debüt von DURAN DURAN, erscheint das 15. Album der Briten – Future Past. Auch wenn ich die Band nie als AOR-Band bezeichnen würde, war die Band schon immer irgendwie ein bisschen AOR. Daher hat die Besprechung des aktuellen DURAN DURAN-Albums in der AOR-Bibel durchaus ihre Berechtigung.

Die charakteristische Stimme von Simon Le Bon ist kein bisschen gealtert und klingt wie im Jahr 1981. Die Basslinien von John Taylor sind nach wie vor treffsicher und grooven. Die Percussivesounds von Roger Taylor mögen wie immer nicht im Vordergrund stehen, sind aber unverzichtbarer Teil des Duran Duran-Klangbildes. Nick Rhodes ist mit seinen mehrschichtigen Keyboardteppichen, analog-digitalen Sounds und unorthodoxen Akkord-Voicings ebenfalls unverkennbar präsent. Von der instrumentalen Seite stellt sich alles wie gehabt dar.

In Bezug auf die Songs sind die Trademarks der Briten ebenfalls die gleichen wie eh und je: geschickt komponierte Melodien, mal schmeichelnd, mal sperrig, dazu interessante Arrangements, des Öfteren mit einem kräftigen Schuss Art Pop. Neu sind diesmal dagegen unter anderem die externen Impulse von DJ und Produzent Erol Alkan (steht symbolisch für die Zukunft), sowie der Disko-Legende Giorgio Moroder (steht symbolisch für die Vergangenheit). Diese Dualität sorgt für Frische und kommt der Musik zweifellos zugute.

Grundsätzlich bemisst sich die Qualität des Songmaterials nicht nach der Eingängigkeit und/oder Anzahl der Singles, sondern nach seiner Langzeitwirkung. Ich bin mir sicher, an die Highlights von Future Past wird man sich auch noch in 10 Jahren erinnern. Diese sind unter anderem neben dem absolut großartigen, pulsierenden, im klassischen Duran Duran-Stil (Mitte der 80er) gehaltenen ‚All Of You‘ auch die weitere Singleauskopplung, das bass- und perkussionsorientierte ‚Anniversary‘ – die Huldigung an das 40-jährige Jubiläum der Band. Das dekadent-trashige Video (featuring Queen, Greta, Daniel Craig, Elton John, Wladimir Putin, der halbnackt ein aufgeblasenes Luftpferd reitet, und Co. – sowie ein dezenter Verweis auf das Video ‚The Miracle‘ von QUEEN) zum Song entpuppt sich beim genauen Hingucken als herrliche Selbstironie. Britischer Humor per excellence. Sollte man gesehen haben!

Die in Zusammenarbeit mit Giorgio Moroder geschriebenen und produzierten Disco-Rocker ‚Beautiful Lies‘ und ‚Tonight United‘, welche beide an selige Notorious-Zeiten erinnern, machen einfach Spaß. Beispielsweise glänzt letzterer mit interessanten Synkopen und vor allem fantastischen Hooks.

Die großartigen ‚Nothing Less‘, und ‚Laughting Boy‘ (enthalten auf der erweiterten Version des Albums mit einem Gitarrensound a la Robert Fripp auf Heroes von DAVID BOWIE), die den Spirit von Werken wie Liberty / Big Thing, aber auch des Debüts von 1981/RIO atmen, gehören ebenfalls zu den Albumhöhepunkten.

Äußerst hörenswert ist das unterkühlte ‚Hammerhead‘ mit einem eingängigen Refrain, sumpfigen Bass und herrlich schönen Melodien. Vor allem das Bowie-lastige ‚Falling‘ (feat. Mike Garson, dem legendären David Bowie-Keyboarder) darf nicht unerwähnt bleiben. DURAN DURAN waren schon immer große Fans von DAVID BOWIE (empfehlenswert: das Coveralbum Thank You von 1995). Hier fühlt man sich wie auf einer Zeitreise in das Jahr 1973 – wie Mike Garson den Song bereichert, ist einfach große Kunst. Auf Aladdin Sane wäre ‚Falling‘ eines der Highlights gewesen. Ein weiterer Bezug zu David Bowie (die Berliner Trilogie/‘V-2-Schneider‘) ist das atmosphärische Instrumental ‚Velvet Newton‘.

Dagegen stehen mit den Singleauskopplungen ‚More Joy!‘,‘ Give It All Up‘ sowie dem belanglosen Opener ‚Invisible‘ eindeutig die Albumlowlights.

Auch wenn nicht alle Songs zu 100 % überzeugen, bleibt Future Past ein sehr spannendes und vielschichtiges Album. Zwar mit etwas Schatten, dafür aber auch viel Licht. Die Albumausrichtung wird im Wesentlichen durch die Dualität Vergangenheit-Zukunft bestimmt. Future Past ist einerseits in der Vergangenheit verwurzelt, andererseits blickt es selbstbewusst in die Zukunft. Stellenweise brauchen die Songs Zeit, bis sich ihre Klasse offenbart. Die Zeit sollte man sich auf alle Fälle nehmen – es lohnt sich!

Fest steht aber auch: Ein RIO 4.0. in puncto Eingängigkeit ist Future Past nicht. Mit den äußerst empfehlenswerten All You Need Is Now / Astronaut wird man in dieser Hinsicht besser bedient.