122. BAD COMPANY – Holy Water

Dass ich älter werde, nehme ich oft an den Meldungen verstorbener Künstler schmerzlich wahr. So wie im Jahr 2020: viele Musiker / Songwriter, die mich jahrzehntelang begleitet haben, sind leider nicht länger unter uns: Ken Hensley, Paul Chapman, Pete Way, Lee Kerslake, Leslie West, Bob Kulick, oder eben Brian Howe – hier ist es besonders bitter, da mit 66 nach den heutigen Maßstäben das Leben längst nicht zu Ende ist und der Mann zeitlebens nicht für den Rock’n’Roll-Lebensstil eines Keith Richards bekannt war.

Die Zeit von BAD COMPANY mit Brian Howe (1986-1994) mit ihrem zeitgemäßen, Stadionrock orientierten Sound aus der Schnittmenge FOREIGNER / BRYAN ADAMS repräsentiert quasi eine andere Band, als die BAD COMPANY der 70er, und hat für mich persönlich, in puncto Songwriting und Relevanz, die Nase vorne.  Brian Howe (als Songwriter und die Stimme dieser Bandphase) gebührt der Verdienst, den frischen Wind und die Melodie in den Sound gebracht, und den Namen BAD COMPANY somit vom angesetzten Staub und Muff beim Songwriting und Sound befreit zu haben. Songperlen wie ‚Burnin’ Up’, ‘Dirty Boy’, ‘No Smoke Without A Fire’, ‘Walk Through Fire’, ‘Holy Water’, ‘If You Needed Somebody’, ‘Here Comes Trouble’, ‘Stronger Than Fiction’ – zeitgemäßer und melodischer als das klassische BAD COMPANY-Material mit Paul Rodgers – liefern den besten Beweis dafür.

Holy Water ist als ein Beispiel der Howe-Quadrologie absolut zu Recht in der AOR-Bibel vertreten, obwohl es an sich um kein reines AOR-, sondern eher um ein Classic Rock-Album handelt.  Im Grunde genommen hätte genauso gut ein anderes Album mit Brian Howe in der AOR-Bibel vertreten sein können – alle vier Alben mit ihm nehmen sich in Sachen Abwechslung, Schmiss und kurzum, der Qualität nicht viel.

Auch Holy Water (ebenso wie Fame and Fortune (wahrscheinlich das beste FOREIGNER-Album, das FOREIGNER nie aufgenommen haben), Dangerous Age und Here Comes Trouble)  lässt beim Songwriting keine Wünsche offen – qualitative Ausreißer nach unten sind nicht festzustellen. Das Album ist mit viel Hall und pompös produziert (besonderer Verdienst gebührt hier Terry Thomas, der für einen Großteil der Gitarrenarbeit verantwortlich ist), mit vielen Hooks samt typischen Background-Vocals, fetzigen Basssounds, knalligen Riffs im Stadionrock-Stil und ökonomisch eingesetzten, bluesbasierten Soli versehen.  Nicht innovativ, aber auf dem Punkt gebracht und allemal klasse umgesetzt. Brian Howe liefert einfach eine phantastische Gesangsleistung ab und bewegt sich in den Dimensionen von Lou Gramm.

Musikalische Klasse und Substanz gehen nicht zwangsläufig mit dem kommerziellen Erfolg einher. Im Falle von Holy Water (wie auch bei Dangerous Age und Here Comes Trouble) war dies jedoch der Fall – die Verkäufe von über 1 Mio. Tonträgern alleine in den USA und die entsprechenden Platzierungen (Album: Billboard Platz 35, der Titelsong: Billboard Platz 1) sprechen eine klare Sprache.

Vor dem Hintergrund der musikalischen Klasse der Howe-Phase und des kommerziellen Erfolgs fand ich den selektiven Umgang von Mick Ralphs / Simon Kirke mit der BAD COMPANY-Vergangenheit – obwohl Brian Howe (und übrigens Robert Heart) wie Paul Rodgers zur BAD COMPANY-Vergangenheit gehört – schon immer befremdlich. Diese wird beispielsweise auf der offiziellen Dokumentation „Bad Company: The Official Authorised 40th Anniversary Documentarykomplett ausgeblendet. Für mich ändert es aber nichts an der Klasse der zeitlosen Meisterwerke Fame and Fortune,  Dangerous Age, Holy Water und Here Comes Trouble.