Nachdem Anfang des Jahres mit One Shot bereits das erste, sehr ansprechende, Soloalbum des alten PRETTY MAIDS-Recken und Vocalisten Ronnie Atkins erschienen ist, folgt nun in Form der EP 4 More Shots (The Acoustics) quasi ein Nachschlag, der interessanter ist, als es im ersten Moment scheint.
Mit ‚Carry Me Over‘ ist ein Stück vertreten, welches es aus nachvollziehbaren Gründen leider nicht auf One Shot geschafft hat: Nach eigenen Aussagen erschien Ronnie der Song, welcher direkt nach seiner verheerenden Krebsdiagnose im März 2020 geschrieben wurde, zu düster und melancholisch, weshalb er die Veröffentlichung bis auf Weiteres zurückhielt.
Gottlob kommen wir nun doch noch in Genuss dieses berührenden Tracks. Getragen durch eine schöne, tieftraurige Keyboardmelodie, bekommt man vor allen Dingen in lyrischer Hinsicht alles geboten, was ein Mensch in seiner Situation zu geben im Stande ist. Das mag musikalisch nicht die große Innovation sein, berührt aber auf emotionaler Ebene umso mehr und kann es zudem locker mit den großen Balladen seiner Stammband PRETTY MAIDS aufnehmen.
Atkins‘ Stimme, seit jeher ein einzigartiges Markenzeichen der Szene, das u.a. auch AVANTASIA immer mal wieder gerne in Anspruch nehmen, weiß dabei nicht nur zu überzeugen, sondern selbst in seiner eigenen Vita einen durchaus bemerkenswerten Akzent zu setzen. Sobald der Mann den Mund aufmacht, weiß man mit wem man es zu tun hat und fühlt sich zu Hause.
Was folgt sind drei Akkustikversionen und eine sogenannte Orchesterversion von bekannten Tracks der One Shot-Scheibe. Sicher war ich anfangs auch extrem skeptisch, da sowas im Normalfall kein Mensch braucht. Dennoch haben diese Umsetzungen durchaus ihren Reiz und beschränken sich nicht ausschließlich auf eine 1×1 Reproduktion der Originale.
‚When Dreams Are Not Enough‘ – in einer Ursprungsversion nicht unbedingt ein Highlight – entwickelt ungeahnte Qualitäten durch minimale Änderungen im Grundarrangement. ‚Picture Yourself‘ stellt vor allen Dingen mal wieder Atkins‘ rauchige, aber immer melodisch klingende Stimme in den Vordergrund und glänzt durch dezent eingestreute Keyboardklänge. ‚Real‘ unterscheidet sich jedoch kaum vom Original, was schade ist, da der gequälte Refrain nach wie vor der Schwachpunkt des Songs bleibt.
Abgeschlossen wird das kurze Vergnügen mit einer Orchesterversion von ‚One Shot‘. Sehr bombastisch und opulent, aber nicht weniger spannend. Besonders der Refrain wurde nochmals überarbeitet und wirkt vergleichsweise mitreißender und meines Eindrucks nach weitaus überzeugender. Ganz tolle Umsetzung.
Braucht man das? Natürlich nicht. Die Scheibe bietet aber, im Gegensatz zu manch anderen Veröffentlichungen dieses Formats, eine qualitativ hochwertige Ergänzung zu One Shot, angereichert durch ein herausragendes ‚Carry Me Over‘.
Bleibt zu hoffen, dass Ronnie noch oft genug Gelegenheit haben wird uns mit seinem musikalischen Talent zu begeistern.
